In Anna Karenina gibt es diese eine Stelle, wo Ljewin, der reiche Landbesitzer, sich mit seinen Bauern aufs Feld stellt und Heu mäht. Und während er so vor sich hinsenst (Verb von "Sense", ne?) fühlt er sich auf einmal völlig frei und happy und losgelöst von Allem. "Je länger Ljewin mähte, umso häufiger wurden für ihn diese Zeiten der Selbstvergessenheit, wo nicht mehr die Hände die Sense schwangen, sondern die Sense selbst hinter sich den ganzen, von Bewusstsein und Leben erfüllten Koerper bewegte und die Arbeit, ohne dass er an sie dachte, wie durch Zauberei ordnungsmässig und regelrecht ganz von selbst vor sich ging. Das waren die glückseligsten Augenblicke." Das, plus gute Luft und Muskelaufbau frei Haus. So wollte ich mich auch mal fühlen, hatte aber schon länger die Vermutung, dass sich diese Situation in einem Büro am Computer irgendwie nicht so richtig gut bewerkstelligen lässt. Also raus aufs Land und Ljewin-mässig die Sense schwingen? In Berlin Innenstadt gar nicht so einfach.
Ungefähr zu diesem Zeitpunkt standen mein Freund und ich vor der Entscheidung, wie wir unseren 3-wöchigen USA Urlaub planen wollten, für den wir zwar Hin- und Rückflug aus Chicago gebucht hatten, ansonsten aber noch keine Ahnung hatten, wohin wir wollten. Der Fakt, dass wir im Urlaub gerne nicht nur das Land kennenlernen, sondern wirklich in die Kultur eintauchen, in Verbindung mit der Suche nach Tolstoi'scher Lebensart, brachte uns schliesslich auf eine Idee: Wir könnten kalifornisch wwoofen.
"WWOOFEN" ist die Abkürzung für "Working on organic farms", was übersetzt "Arbeiten auf dem Bio-Bauernhof" oder auch "Mila ist ein Workaholic und arbeitet gern im Urlaub" bedeutet. Auf der Plattform www.wwoof.org kann man sich fuer etwa 30 Euro anmelden und bekommt so Zugang zu einer Liste von biologischen Farmen, die gerade Mitarbeiter fuer ihre Projekte suchen. Im Austausch fuer Kost und Logis und eine ganze Menge neuer Erfahrungen in Sachen biologische Landwirtschaft erklaert man sich hier bereit, 30 Stunden die Woche kraftig mit anzupacken.
Also fix den Katalog fuer Amerika durchgeguckt, Lieblings-Gastfarm rausgesucht, angeschrieben und ein paar Stunden spaeter war der Urlaub in trockenen Tuechern. Ergebnis: Eine Woche Leben, Arbeiten, Essen und Schlafen auf einer Kräuterfarm in Kalifornien. Es war richtig, aber so richtig geil.
Während mein Freund von den Besitzern der Farm, einem älteren kalifornischen Pärchen, mit reichlich Muskelarbeit versorgt wurde (Bäume pflanzen, Loecher graben, Zäune bauen...), kam mir eine sehr entspannte Rollenverteilung zugute: ich durfte mich mit den schonen Sachen beschäftigen: Tee mischen (man nehme 2 Stangen Zimt, 9 "Allspice"-Beeren, 3 Nelken und etwa 2 Sternanis für einen Aufguss des perfekten "Spice-Journey Tees), Rosenblätter ernten und sortieren, kandierten Fenchel einpacken, Lavendel verarbeiten... Auch wenn ich zwischendurch mal ein oder zwei Tomaten gepflanzt habe, habe ich jetzt nicht die Erschöpfungseuphorie erfahren, die Tolstoi so würdigt. Es war aber trotzdem sehr entspannend und mein Zufriedenheitslevel kam dem von Ljewin schon ziemlich nah. Wenn ihr also mal richtig tiefenentspannt aus den Ferien kommen wollt, kann ich euch nur empfehlen, im Urlaub zu arbeiten. Wwoofing ahoi!
Anti-Büro-Stress Therapie: Kräutertee mixen und verpacken. |
Lavendelspirale mit Aussicht. Euch ist bestimmt sofort die geniale Bewässerungsanlage aufgefallen, richtig? Dachte ich mir schon. Das war eins unserer Projekte. |
Regen in Kalifornien! Das Ereignis des Jahres. |
Wenn es schon nicht regnet, verlegt man eben einfach seine Dusche nach draussen. |
Die hab ich gepflückt! Rosen riechen übrigens wirklich wie Rosenoel. Als Stadtkind entgeht einem sowas. Ich dachte immer, Rosenoel wuerde synthetisch riechen. Tja. |
Ohhhh, das klingt so genial!
AntwortenLöschenIch wollte mal im Sommer WWOOF in Norwegen machen und hatte mir auch schon alle möglichen Adressen rausgesucht, aber dann kam mir ein Sommerjob dazwischen und somit hatte dann doch Geld verdienen Vorrang. Aber ich ärgere mich immer noch darüber, dass ich das damals nicht gemacht habe.
Was sind denn Allspice-Beeren?
Ja, das mit dem Geld ist leider so eine Sache... es war ganz gut, dass es da in der Nähe nicht so viel zu tun gab. Deshalb haben wir in der kompletten Woche eigentlich nichts ausgegeben, außer mal in den Nationalpark zu fahren. Ich war mir auch nicht ganz sicher, was Allspice Berries sind als ich sie sortiert hab (und ich hinterher nicht). Google sagt Piment oder Nelkenpfeffer. :)
LöschenAchsooo, Piment. Sehr gut, dann werd ich den Tee mal nachmischen - ich hab alle benötigten Gewürze daheim. :-)
LöschenAuch von mir erstmal nur ein: OHHHHH! Was für ein tolles Erlebnis. Diese Landschaft! (Schnappatmung vorm Monitor!) Mehr Eindrücke bitte! LG Mila
AntwortenLöschenIch sag´s jetzt mal ganz schnöde: Boah, wie geil!
AntwortenLöschenDavon hatte ich noch nie gehört - das klingt aber wirklich toll, und ergibt garantiert ein einmaliges Urlaubserlebnis!
AntwortenLöschenUnd die Bilder sind echt genial!
Darüber habe ich schon eine Menge gelesen (es gibt ja solche Projekte auch im Bereich Naturschutz), aber selber habe ich das nie auf die Reihe bekommen. ;) Toll, dass es bei euch nicht nur so spontan geklappt hat, sondern dass es auch so ein prima Job in so einer umwerfenden Landschaft war! Wie Mila hätte ich gern noch mehr Fotos! ;)
AntwortenLöschenWahnsinnig cool! (Und das von einer, die die USA bestenfalls mäßig interessant findet.) Gewürze zusammenmischen! Lavendel! Hach! Die Fotos sind wirklich sehr schön...
AntwortenLöschenTrotzdem auch fein, nun wieder mehr von dir lesen zu können. (: Willkommen zurück!