Samstag, 23. November 2013

Berlin is CATCHING FIRE - die besten Film-Szenen

Alle, die sich weniger für Stars in Berlin und mehr für die Verfilmung interessieren, scrollen am Besten gleich bis zur ersten Überschrift weiter.

Ich arbeite in Friedrichshain und wohne in Friedenau. Wer sich in Berlin ein bisschen auskennt, der wird messerscharf darauf schließen, dass ich  für meinen Arbeitsweg jeden Tag durch Berlin Mitte fahre. Um euch noch eine etwas genauere Vorstellung zu geben: ich fahre auf meinem Arbeitsweg - den ich täglich, 13 km hin, 13 km zurück, mit dem Fahrrad zurücklege - jeden Tag am Potsdamer Platz vorbei.

Der Potsdamer Platz, das werden auch Leute wissen, die sich in Berlin nicht auskennen, ist der PLACE TO BE um Stars zu treffen... zumindest wenn man 14 Jahre alt ist, kein Problem damit hat, stundenlang mit 100 anderen kreischenden Teenies in einer Schlange zu stehen und fast von der drängelnden Menge zu Hackfleisch verarbeitet zu werden, sobald sich tatsächlich ein Fitzelchen Prominenz irgendwo zeigt.

Ich habe das schon öfter miterlebt. Vor einigen Wochen war ich Mittags mit einer Freundin im Vapiano am Potsdamer Platz verabredet. Das Restaurant liegt ziemlich direkt neben dem Ritz Carlton, der Lieblings-Bleibe internationaler High Society, die sich in unser bescheidenes Städtchen verirren. Schon auf dem Weg dorthin hatte ich 10 Minuten Verzögerung, weil plötzlich eine Horde von Polizeimotorrädern die Straße flutete, alle grünen Ampeln blockierte und die Straße sperrte für den nachfolgenden Tross an schwarzen Limousinen, der mit verdunkelten Fenstern Richtung Potsdamer Platz unterwegs war. Ich vermutete ranghohe Poilitiker im Inhalt der Limousinen und beschäftigte mich nicht weiter damit. Nach dem Essen wollte ich zu meinem Fahrrad, dass ich kurz vorm Sony Center abgeschlossen hatte - und sah mich plötzlich einem Auflauf aufgeregter Teenager gegenüber, der sich während meiner Mittagspause zwischen mir und meinem Fahrrad manifestiert hatte. Sie alle starrten mit großen Augen auf die Tür des Ritz Carlton. Ich wollte  mich gerade erkundigen, wer denn da so sehnsüchtig erwartet wurde, als sich folgende Szene abspielte:

Ein junges Mädchen, vielleicht 12 Jahre alt, stemmte sich aus der ersten Reihe gegen die Menge und sagte, als sie ihre Mutter weiter hinten erreichte: "Du Mama, ich glaube wir können wieder gehen, Lady Gaga kommt wohl erst heute Abend um 6 wieder raus." Die Mutter wollte gerade antworten, als der vollkommen aufgelöste Vater angerannt kam und fassungslos keuchte "Was machst du denn da? Warum gibst du unseren Platz auf??" Ungemein vernünftig, wie ich fand, antwortete das Mädchen darauf, dass es ja keinen Sinn mache, 5 Stunden lang vor dem Hotel auf Lady Gaga zu warten. "Die kommt bestimmt eh nur raus und steigt wieder ins Auto." Diese Argumentation erschloss sich dem Vater durchaus als nicht so sinnvoll wie sie mir vorkam und er brachte nur ein entmutigtes "Aber wir waren in der ersten Reihe!" heraus.

Ich nun, meinerseits vollkommen unbeeindruckt von dieser hohen Prominzenz - ich würde Lady Gaga garnicht erkennen - konnte das Familiendrama leider nicht weiter beobachten, da ich mich zu meinem Fahrrad durchkämpfen musste. "So eine Hysterie, nur wegen einem kurzen Blick auf einen Star!" dachte ich noch überheblich - nur um mich im gleichen Moment vor einem großen Banner wiederzufinden, das die Premiere von THE HUNGER GAMES - CATCHING FIRE im Sony Center Berlin am 12.11.2013 ankündigte. MIT ALLEN STARS!! Ich bin ja wirklich nicht leicht zu beeindrucken, aber meine persönliche Lieblings-Oscar Gewinnerin Jennifer Lawrence hätte ich doch gern mal aus der Nähe gesehen. Es dauerte keine Sekunde und mein Gehirn hatte sich in das eines Teenagers verwandelt. Ich Ich wollte unbedingt Karten haben. Keine Chance natürlich, die Dinger waren natürlich innerhalb von 2 Minuten ausverkauft. 

Ich war zwar kurz enttäuscht, vergaß die ganze Sache aber dann so schnell und so effektiv wieder, dass mir tatsächlich folgendes passiert ist: Am 12.11., pünktlich zu Premierenbeginn, fahre ich nach Feierabend direkt am Sonycenter vorbei. Es ist knallvoll, überall stehen Kinder mit Schildern - und ich ich IDIOT fahre einfach weiter. An die Premiere und meine ursprüngliche Aufregung habe ich mich erst wieder erinnert, als ich ein paar Tage später folgende Aufnahmen sah:



Schade. Aber es war ja offensichtlich sowieso kein Durchkommen, wahrscheinlich hatten sich auch irgendwelche Väter mit ihren Kindern schon Morgens um 6 strategisch in der ersten Reihe positioniert. Um mich für mein eigenes Versäumnis zu entschädigen, besorgte ich uns dafür direkt Karten für den ersten Spieltag und deswegen saßen wir dann am Donnerstag um 19 Uhr endlich glücklich und zufrieden und für den unschlagbar günstigen regulären Preis von 11,50 € PRO KARTE (Hab ich nicht mal irgendwann 5 Mark für eine Kinokarte bezahlt? Ich bin doch noch gar nicht so alt!) und OHNE POPCORN (die kleinste Portion kostet 5 € - HALLO?!) in ebendiesem Sony Center Cinestar. Das ist leider, trotz der crazy Preise, unser Lieblingskino, da fast alle Filme ohne Untertitel in der Originalfassung laufen.

Catching Fire - Der beste Film des Jahres

Was soll ich sagen, Kinder? Der Film ist unglaublich gut! Ich hatte ja schon am ersten Teil wenig auszusetzen, wobei mein Freund, der damals die Bücher noch nicht kannte, viel nicht verstanden hat. Aber Catching Fire ist von der ersten bis zur letzten Sekunde - und wegen des grandiosen Soundtracks noch bis lange nach dem Abspann - der definitiv beste Film, den ich diese Jahr gesehen habe. Ich habe mit Absicht das Buch nicht noch einmal gelesen bevor wir ins Kino gegangen sind und deswegen ist mir nicht klar, welche Szenen geändert oder weggelassen wurden - vom Gefühl her sind aber aber sehr wenige. Meine Lieblings-Szenen waren jedenfalls im Film die gleichen wie im Buch und so großartig umgesetzt, dass ich Rotz und Wasser geheult und am ganzen Körper Gänsehaut hatte.

Die besten Film-Szenen
  • der Moment als Katniss und Peeta auf ihrer Sieger Tour den Familien von Thresh und Rue gegenüberstehen und Peeta die Karte mit der vorgeschriebenen Rede sinken lässt
  • der alte Mann, der danach die Finger zum Gruß hebt und Rues Melodie pfeift
  • President Snow, dieses kleine Kopfschütteln in Katniss Richtung, während sie auf dem Empfang in Panem sind
  • Prim, die ihrer Mutter ruhig die Spritze aus den Fingern nimmt um mit ruhiger Hand Gale die Betäubung zu spritzen
  • Effie und Katniss, die sich in die Augen schauen, während Effie die einzige Karte aus der Glaskugel der Zeihung vorliest
  • die Einfahrt in die Arena, die unnachgiebige, stolze Position von Katniss und Peeta, die flammenden Kleider, The Girl on Fire!
  • Katniss, die während der Bewertung das Bild von Rue betrachtet, das Peeta auf den Boden gemalt hat
  • Katniss, die von President Snow gezwungen wird auf der Bühne ein Hochzeitskleid zu tragen, sich beginnt, darin zu drehen und plötzlich als Mockingjay dasteht. (Die Szene hat mir schon im Trailer Gänsehaut gemacht) Die nachfolgende Stille im Publikum.
  • die Tribute, die sich während der Life-Übertragung vor ganz Panem auf der Bühne an den Händen fassen und auch noch nach der hektischen Verdunkelung als geschlossene Einheit erkennbar sind
  • die Szene, als Johanna sich im Fahrstuhl von Peeta das Kleid ausziehen lässt und dann nackt dasteht - Katniss` Gesichtsausdruck, der in diese ganze Katastrophenstimmung wieder einen Hauch Leichtigkeit bringt
  • die Szene - oh Gott - als Mags freiwillig in den Giftnebel läuft, um die anderen zu retten
  • Katniss, als sie in der Arena denkt, Peeta ist tot 
  • und die letzten Minuten
  • die letzten Sekunden
  • die letzte Sekunde
  • Rache.
Ich beneide diejenigen von euch, die den Film noch vor sich haben, ich würde ihn am Liebsten gleich nochmal sehen. Hier noch ein fantastischer Trailer. Viel Spaß.



und der wunderschöne Titelsong: Atlas von Coldplay:

Sonntag, 10. November 2013

Angst vor der letzten Seite...

Es war ja nicht so, als hätte ich die letzte Seite nicht kommen sehen - ich wollte sie nur nicht wahrhaben. Ach Lyra, Lyra, wir werden uns wohl nie wiedersehen. Das Leben mit Büchern ist ungerecht.

Es gibt Bücher, die haben 300 Seiten, eine riesige Schrift, tarnen sich erst als "Schnell-mal-zwischendurch-Literatur" und wollen. dann. einfach. nicht. enden. Diese Bücher schaffen es in der Regel, mich nachhaltig zu frustrieren und wenn sie nicht gerade mit einer Challenge zusammenhängen, komme ich dann nicht mal über die ersten 100 Seiten hinaus.
(So passiert zum Beispiel hier und hier).

Und dann gibt es Bücher mit tausend Seiten und mehr, gefühlte zwei Kilo schwer, die Schrift kaum noch lesbar... und trotzdem ist die letzte Seite viel zu schnell erreicht!

So ein  Buch ist "His Dark Materials" (auf Deutsch die "Goldene Kompass"-Trilogie), von Philip Pullman. Zwei komplette Wochenenden und unzählige Abendstunden habe ich in der Welt von Lyra Silvertongue verbracht. So viel Zeit habe ich schon lange nicht mehr in ein Buch gesteckt. (Konzentrierte Lese-Zeit, wohlgemerkt, nicht diese "Mist, schon wieder nicht aufgepasst, ich muss die letzten zwei Seiten nochmal lesen"-Zeit, die mir zum Beispiel The Magic Faraway Tree ständig beschert hat.) Nachdem einigen Anlaufschwierigkeiten im ersten Teil konnte ich es plötzlich nicht mehr aus der Hand legen. Und dann? War es zu Ende. Der Albtraum jeden Buchliebhabers. 

Zur Story:

Die Trilogie besteht aus drei Büchern und ist eigentlich bei weitem zu komplex, um sie in einer kurzen Zusammenfassung zu beschreiben und vor allem ohne zu spoilern. Ich werde es daher hier sehr oberflächlich halten. His Dark Materials besteht aus:
  1. Northern Lights (Der goldene Kompass, 1995)
  2. The Subtle Knife (Das magische Messer, 1997)
  3. The Amber Spyglass (Das Bernstein-Teleskop, 2000)
Lyra Belaqua, später Lyra Silvertongue, wächst in einer Parralelwelt auf, die der unseren zwar sehr ähnlich ist, die aber von einer sehr strengen kirchlichen Institution überwacht wird. In ihrer Welt hat jeder Mensch einen "Dæmon", der so etwas ist, wie in unserer Welt die Seele, der aber in Lyras Welt die Form eines Tieres hat und den Menschen immer begleitet. Aufgezogen wurde Lyra im Jordan College (in unserer Welt die Oxford Universität), da sie keine Eltern mehr hat. So geschieht es, dass Lyra zwar über keine vernünftige Schulbildung verfügt, jedoch viele Dinge erfährt, die weit über ihr Alter hinausgehen. So kommt sie zum Beispiel mit der Forschung nach "kosmischem Staub" in Berührung, vor dem die Kirche große Angst zu haben scheint, den Lyra aber sehr spannend findet. Im weiteren Verlauf der Geschichte bereist sie, um mehr darüber herauszufinden wie dieser "Dust" auf den Menschen wirkt, erst ihre Welt, dann unsere und schließlich mehrere Parrallelwelten.

Auf dieser Reise lernt sie viele neue Freunde kennen, darunter fantastische Wesen wie Panzerbären, Hexen und Engel, sie macht sich aber auch eine Menge Feinde, allen voran die Kirche, die mit allen Mitteln versucht, Lyra von ihren Forschungen abzuhalten. Als Vertreterin der Kirche fungiert die überaus charmante Mrs. Coulter, die Lyra zunächst außerordentlich bewundert, der sie aber schnell, nicht zuletzt aufgrund von Mrs. Coulters heimtückischem Affen-Dæmon, zu misstrauen beginnt. Gleichzeitig verschwinden überall um Lyra herum Kinder, auch ihr bester Freund Roger wird gefangen. Und ein böses Gerücht macht die Runde - die Kinder werden für Experimente missbraucht, bei denen sie von ihrem Dæmon getrennt werden.



Der Trailer zum Film gibt eine ganz gute Übersicht zum ersten Buch, von dem aber die letzten Szenen wohl weggelassen wurden, um sie im zweiten Film einzufügen. Mit der Finanzkrise wurde dann aber die Produktion stillgelegt und die Folgeteile wurden nie produziert. (Zumindest ist das die offizielle Begründung, meiner Meinung nach kommt der Film an das Buch einfach nicht mal ansatzweise heran und ist deshalb gefloppt.)

Meine Meinung:

Von der 2007er Verfilmung "Der goldene Kompass" ist mir außer den sprechenden Bären und einer auf 20er Jahre gestylten Nicole Kidman mit ihrem bösen Affen irgendwie nicht viel Erinnerung geblieben. Deswegen hatte ich auch nicht viel vom Buch erwartet und habe mich auf eine eher kindliche Geschichte à la Narnia eingestellt. Und da sich der Film nah am Buch orientiert - ohne allerdings auch nur annähernd dessen atmosphärische Dichte einfangen zu können - hatte ich einige Schwierigkeiten mit dem ersten Buch warm zu werden. 

Lyra war für mich am Anfang ein schwer einschätzbarer Charakter, der sich eben wie ein normales Kind verhält, mit der Ausnahme, dass sie ein bisschen viel lügt. Nach und nach wird aber klar, dass Lyra nicht nur pfiffig, sondern auch verdammt mutig ist und ein sehr, sehr großes Herz hat. Von ihr lebt die Geschichte, von ihrem Mut und ihrem Durchhaltevermögen, auch wenn sie zwischendurch fast unter der Last zusammenbricht, Lyra geht immer weiter. Und dem Leser unter die Haut.
"Oh, Pan, dear, I can't go on! I'm so frightened - and so tired - all this way, and I'm scared to death! I wish it was someone else instead of me, I do honestly!"

Die Geschichte verliert ihre Ähnlichkeit mit Narnia schon auf den ersten Seiten und ich würde auch sagen, dass sie generell schnell aufhört, ein Kinderbuch zu sein. Denn obwohl sprechende Bären vorkommen und die Hauptrolle von einem Kind gespielt wird, sind die Themen mit denen sich das Buch beschäftigt derart vielschichtig, dass ich ernsthaft bezweifle, als Kind hier die Übersicht behalten zu haben. Dass es aber als Kinderbuch angelegt ist, glaube ich schon, da viele Konflikte dann doch sehr simpel gelöst werden, zum Beispiel die Szene mit dem König der Panzerbären. Tatsächlich hat Pullman die Trilogie übrigens sogar bewusst als Gegensatz zu den Chroniken von Narnia und deren sehr gottesorientierter Haltung verfasst. Auch dieses Buch hat einen sehr religiösen Grundton,  ist aber das genaue Gegenteil zu Narnia, indem es sich definitiv gegen die Kirche und später deutlich auch gegen Gott persönlich richtet. Die Bücher wurden daher von der katholischen Kirche scharf kritisiert und zum Start des Films rief sie sogar zu einem Boykott auf.

Generell ist die Geschichte aber eher darauf ausgelegt, Autoritäten jeder Richtung zu misstrauen und immer wieder nachzufragen, was ja nie schaden kann. Die Figuren, gerade die der "Autoritäten" sind sehr komplex, genauso wie ihre Beziehungen zueinander und am spannendsten wird es immer dann, wenn die wunderschöne jedoch eiskalt berechnende Mrs. Coulter auftaucht. Pullmans Figuren sind selten vollkommen gut oder vollkommen schlecht, aber Mrs. Coulter vereint das abgrundtief Böse auf eine derart schmerzliche Weise mit dem Guten, dass es mir immer wieder den Magen umgedreht hat.



Die Bücher werden, was selten passiert, mit jeder Fortsetzung besser. Wo sich der Autor im ersten Buch wohl erst noch einfinden musste, grenzt der dritte Band an Genialität. Pullman sprüht vor Fantasie und beginnt ab dem zweiten Teil Szenen einzuflechten, die mich vor lauter gespannter Nervösität nach und nach alle Fingernägel der linken Hand gekostet haben. (Mit der Rechten musste ich dankenswerterweise das Buch umblättern.) Und so ab Seite 1000 habe ich begonnen, Angst vor dem Ende zu bekommen. Denn ich wollte einfach nicht, dass die Geschichte aufhört. Doch aufhören tut sie und zwar mit einem Knall. Dieses Ende hätte ich als Jugendliche mit Sicherheit gehasst wie die Pest, heute fand ich es dagegen ziemlich genial abgerundet und sehr zum Autor passend. 

"His Dark Materials" behandelt so viele wichtige und erwähnenswerte Themen - Mut, Freundschaft, Liebe, Leidenschaft, Manipulation, Verführung, Wissensdurst, Neugier, Unterdrückung, Autorität, Kirche, Religion, Atheismus, Forschung, Tod... - und der Autor erschafft so viele grandiose Metaphern und neue Blickpunkte auf uralte Themen, dass es Wert wäre, sie alle zu besprechen. Da hab ich aber weder Zeit noch Platz zu, also bleibt mir nur, dieses Buch aus vollem Herzen jedem zu empfehlen, der nicht gerade mit dem Gedanken spielt, ins Kloster einzutreten. Dann ist es eventuell nicht die beste Idee.

Fazit:

Nach einem langsamen und etwas anstrengend kindlichen Einstieg wird die Geschichte sehr schnell zu einem rasanten, komplexen Meisterwerk. Gegen Ende ziehen sich einige Szenen ein bisschen mehr als notwendig in die Länge, aber nie so, dass man das Buch einfach aus der Hand legen könnte. Denn eine Flut von großartigen Ideen, erstaunlichen Metaphern, erinnerungswürdigen Charakteren und mitreißenden Handlungssträngen macht es dem Leser schwer, aus der Geschichte so schnell wieder aufzutauchen. Die dichte Atmosphäre des Buches hat mich irgendwann überallhin begleitet, ob zum Sport oder beim Kochen, ich war im Kopf immer bei Lyra und Will. Absolute Empfehlung!

Samstag, 2. November 2013

The Horror after Halloween

Eine Woche lang sagte ich jeden Tag den gleichen Satz zu meinem Freund: "Du wir müssen unbedingt dran denken, dass wir für Donnerstag noch Süßigkeiten kaufen!" 

Letztes Jahr am 31.10. nämlich, es war der Tag nach dem Einzug in unserer neuen Wohnung und ich frisch aus Holland wieder in Deutschland angekommen, klingelte es gegen frühen Abend an der Tür. Nichtsahnend war ich dumm genug, sie zu öffnen, nur um mich in einer Horde kleiner Hexen und Gespenster wiederzufinden, die, lauthals "Süßes oder Saures!" kreischend, anscheinend während meiner Abwesenheit den Halloween-Brauch in Deutschland eingeführt hatten. (Vielleicht lag es auch daran, dass ich auf dem Land groß geworden bin, aber bei uns gab es das damals garantiert nicht nicht!) Ich konnte mich damals mit einer großen Packung Cola-Schnüre aus der Affäre retten, die ich glücklicherweise noch aus Holland mitgebracht hatte. Peinlich war's trotzdem. 

Wobei... wenn ich mich hiermit vergleiche, haben meine Cola-Schnüre wahrscheinlich eine  Auszeichnung verdient! (Gefunden bei Schlecky Silberstein und "Horror-Meldung des Tages")
Um nicht noch einmal ein rohes Ei an meiner Tür zu riskieren (in Berlin soll auch Zahnpasta an den Briefkästen sehr beliebt sein), plante ich also dieses Jahr schon großzügig eine Woche vorher ein, Süßigkeiten zu kaufen - und vergaß es prompt. 

Come Halloween Eve, 5:30 pm. Draußen schon gefühlte halb 10, da durch Zeitumstellung zappenduster, mein Freund und ich sitzen einträchtig nebeneinander am Tisch und starren romantisch jeder auf einen Computerbildschirm, als im Hausflur ein Riesengetrappel losgeht. Kurz gebe ich mich noch der Illusion hin, dass ein Kindergeburtstag gefeiert wird, bevor es schon in der ersten Etage klingelt und "Süßes oder Saures!" aus mindestens fünf aufgeregten kleinen Kinderkehlen gekreischt wird. Wir schrecken hoch und starren uns panisch an. 

WIR HABEN VERGESSEN, DIE VERDAMMTEN SÜßIGKEITEN ZU KAUFEN!!

Was es bedeutet, wenn Kinder ihre Halloween Süßigkeiten nicht bekommen, wissen wir ja nun spätestens seit Jimmy Kimmel.



Während der Mann des Hauses also, ganz wie es seiner Rolle gebührt, hektisch in der Wohnung herumrennt und alle Lichter ausknipst (man kommt sich dabei schon ein bisschen vor wie ein Verbrecher), schnappe ich mir Schlüssel und Geld und renne wie der Teufel. Zum nächsten Rewe. 

Zwei Tüten Maoam Mix und eine Tüte Nimm 2 später sehe ich mich einer Kassenschlange gegenüber, die meinen Freund noch zu mindestens weiteren 15 Minuten im Dunkeln verdammt. Ich ziehe die letzten Register: "Entschuldigen Sie, würden Sie mich vielleicht vorlassen? DIE STEHEN SCHON BEI UNS VOR DER TÜR!" Wahrscheinlich sind es weniger die Worte als vielmehr mein Tonfall, der die Leute schnell zur Seite springen lässt. Eventuell auch die Panik in meinen Augen und die Schweißperlen auf der Stirn. 

Vollkommen durchgeschwitzt komme ich zuhause an, drapiere Bonbons und Maoam in einem kleinen Koffer und schalte, diesmal voller Stolz und mit viel Zeremoniell alle Lichter wieder an. Sollen sie alle kommen!

Ich gebe zu, die Optik ist eher Oktoberfest als Halloween, aber wir wollen's ma nicht übertreiben, ne?
UND WATT IS? Das Foto ist von heute, ihr könnt es euch also denken.

EINMAL hat es noch geklingelt. Alle anderen Kinder waren wohl vorgewarnt, oder der Brauch hatte sich doch noch nicht so verbreitet wie ich gedacht hatte. Naja. Ich schaffte es, diese erfolglose Nacht ohne ein Halloween Trauma zu überstehen.

Das Halloween Trauma kam später.


Ladies and Gentleman, Mila Cooking Productions presents:

THE HORROR AFTER HALLOWEEN.

Wie die Geschichte begann ist hier nachzulesen. Jedenfalls kam ich mit diesem Kürbis nach Hause, der geneigte Leser erinnert sich.


So geschätzte 12 Kilo also, den kann man ja nicht einfach wegschmeißen, wenn die Kürbis-Dekorationszeit vorbei ist. Bei Mila Cooking Productions entsteht eine grandiose Idee: Kürbisbrötchen! Das in der Geschichte der Firma nie vorher mit Hefe gearbeitet wurde, wird bei Mila Cooking Productions nicht als Problem erkannt.

"Lassen sie den Teig in einer warmen Ecke eine Stunde ziehen, er geht dann noch auf." Die Vorstandsvorsitzende der Mila Cooking Productions nimmt dies als Hinweis, den genau 50 Minuten dauernden Zumba-Kurs wahrzunehmen, der im 5 Minuten entfernten Fitnessstudio stattfindet. Genau eine Stunde Zeit also. Glücklicherweise ist eine große Schale vorhanden, in der der Kürbisbrötchen-Teig gemütlich vor sich hin "gehen" kann.

Eine Stunde später.

Glücklich und ausgepowert kommt die Vorstandsvorsitzende der Mila Cooking Productions ins Firmengebäude. Schon beim Aufsperren der Tür breitet sich allerdings eine dunkle Vorahnung in ihr aus. Es liegt eine ominöse Stille über der Szenerie, fast als ob sich etwas darauf vorbereitet, anzugreifen.

Leise schleicht sich unsere Zumba-Tänzerin zur Küchentür, reisst sie mit einem Knall auf und

WAAAAAAAAAAAAAAAH!!!!!


Das Grauen hat einen neuen Namen.
Und es wächst.
Und wächst.
Und wächst.

Voller Trauer und Angst muss ich verkünden, dass der Kürbisbrötchenteig entkommen konnte. Die Vorstandsvorsitzende der Mila Cooking Productions hat sich mutig in den Kampf geschmissen, aber sie konnte ihn nicht besiegen.

Was habe ich da nur erschaffen?

Womöglich werden schon nächstes Jahr Kürbisse durch Berlins Straßen ziehen, auf der Suche nach Menschenköpfen, die sie aushöhlen und als Laterne in ihre Vorgärten stellen können. Nichts und niemand ist dabei vor dem Kürbisbrötchenteig sicher, denn er presst sich auch durch die kleinsten Ritzen, durch Dielenböden und sogar durch verriegelte Waschmaschinentüren. Dort lauert er auf seine Gelegenheit. SEID WACHSAM!

Es bleibt mir nur noch zu verkünden, dass die Vorgesetzte der Mila Cooking Productions zurückgetreten ist. Den Rest ihres Lebens wird sie mit der Suche nach einem Gegenmittel verbringen.



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