Alter Schwede. Am Dienstag, den 29.11. habe ich meinen Wordcount im NaNoWriMo-Dashboard auf 50.541 Wörter gestellt. Und das, nachdem da am Sonntag Abend noch unter 40.000 drin standen. Das Gefühl nach dem NaNo kann man nicht beschreiben, das muss man erlebt haben. Es ist vielleicht so, wie endlich die Master Arbeit abgeben, nur dass man auf dem Weg dorthin unendlich viel mehr Spaß hat (ich zumindest), viel mehr lernt (auch ich, traurigerweise) und sehr viel weniger Zeit hat (hätte ich 2012 kein Jobangebot bekommen, würde ich wahrscheinlich heute noch an meiner Masterthese sitzen...)
Tja. Ich habe pro Tag ca. 4 Stunden zum Schreiben eingeplant, wobei ich damit gerechnet habe, dass ich an einigen Tagen auch gar nicht zum Schreiben kommen würde. Bei ca. 1.667 Wörtern, die man durchschnittlich am Tag schaffen muss, um am Ende des Monats auf die 50.000 zu kommen, bin ich davon ausgegangen, das das luxuriös viel Zeit ist. Nur um dann rauszufinden, dass mein durchschnittliches Schreibtempo bei 500 Wörtern pro Stunde liegt.
2. Abends bin ich nur im Ausnahmefall noch produktiv
Das ist theoretisch ja ganz hervorragend und passt genau, aber es fiel mir nicht nur sehr schwer, länger als drei Stunden (allerhöchstens!) am Stück konzentriert zu arbeiten, sondern ich habe auch gemerkt, dass ich Abends nach acht Uhr nur noch im Ausnahmefall produktiv bin (zum Beispiel wenn ich weiss, dass ich in den nächsten zwei Tagen 10.000 Wörter schaffen muss, weil ich sonst verliere).
3. Vorarbeiten? Vergiss es!
Jeden einzelnen Tag in den ersten drei Wochen dachte ich: "Na komm, heute machst du mal mehr, als du musst, dann hast du nach hinten raus einen Puffer!" Pfff... keine Chance. Normalerweise habe ich mich jeweils Morgens drei und Abends ein bis zwei Stunden an den Computer gesetzt, je nachdem wie viel Zeit ich hatte. Sobald ich jedoch Morgens schon ungefähr auf meine Wörter gekommen war, konnte ich mich Abends plötzlich nicht mehr konzentrieren. Danke Gehirn.
4. Wer schreiben will, muss lesen. ABER VOR ALLEM SCHREIBEN!
Stattdessen bin ich in diesen Fällen in die Badewanne gegangen und habe einen Tipp von Stephen King befolgt: "Wer schreiben will, muss vor allem lesen." Und er hat Recht, lesen hilft wirklich enorm zu erkennen, wie andere Autoren bestimmte Dinge angehen, Spannung aufkommen lassen, Charaktere einführen, Flashbacks schreiben, etc. Das funktioniert aber nur, wenn man sich gleichzeitig auch im Prozess des Schreibens befindet (also nicht in der gleichen Sekunde, wir verstehen uns), denn dann kann man das Gelernte auch anwenden, bzw. die eigenen Fragen evtl. in anderen Büchern gelöst sehen. Diese Fragen stellen sich aber erst beim Schreiben. Der stetige Wechsel aus Lesen und Schreiben war für mich also wirklich lehrreich. Ansonsten würde ich sagen, gibt es mit dem Lesen im November ein klitzekleines Problem: Es hält vom Schreiben ab!
5. Verwirrt zog sie die Augenbrauen zusammen.. ach nein, tat sie doch nicht, verdammt.
Ich hatte noch ein anderes Problemmut dem Lesen, denn meine Wahl fiel auf die Hunger Games. Wahrscheinlich ungefähr zum 15. mal, aber erst jetzt wo ich selbst auch mal etwas geschrieben habe, verstehe ich wirklich wie GUT die Bücher geschrieben sind. Sie sind nicht nur spannend, mit starken Figuren und einer Hammer Geschichte - die Autorin hat es auch geschafft, fast komplett auf Adjektive zu verzichten! Das habe ich früher überhaupt nicht gemerkt, aber nun stand ich plötzlich vor der Frage: Wie zum Teufel hat die das hinbekommen?!
6. Bloß nicht perfektionistisch werden. Man kann alles retten, ausser einer leeren Seite.
Ich war also von den Hunger Games nicht nur NOCH begeisterter als sowieso schon, sondern, zugegeben, ganz schön eingeschüchtert. Da rennt Katniss rum, mit dieser wahnsinnigen Charakterentwicklung während Fuchs, meine Titelheldin, die ganze Zeit nichts anderes macht, als verwirrt oder erstaunt ihre verdammten Augenbrauen hochzuziehen. In den ersten paar Tagen habe ich deshalb viel Zeit damit verbracht, mir zu überlegen, wie ich dieses oder jenes Gefühl durch Handlungen oder einen besseren Dialog darstellen kann. NaNoWriMo ist nicht der Monat dafür. Nachdem meine Wortkurve irgendwann so weit zurück war, dass ich schon langsam daran gezweifelt habe, ob ich es überhaupt noch schaffen kann, hab ich mich vom Perfektionismus verabschiedet und mich einfach nur darauf konzentriert, meine Wörter aufs Papier zu bringen. Und bei jedem Rückfall hat mir das Zitat von Nora Roberts geholfen:
"You can fix anything but a blank page"
Und siehe da. Nach ein paar Wochen regelmässigen Schreibens ging es von ganz alleine besser.
(Was nicht heisst, dass ich nicht Morgens über Sätze gestolpert bin, die ich Abends beim Einnicken noch schnell hingetippt habe - und mich beim besten Wissen nicht erinnern konnte, was ich damit eigentlich sagen wollte.)
7. Procrastination perfektioniert. Auf mich kann ich mich verlassen.
Könnt ihr euch bitte mal diese Wordcount-Kurve anschauen? Ich kenne mich ja nicht erst seit gestern, deswegen kann ich mittlerweile ganz gut einschätzen wie ich meine eigene Faulheit am Ende noch auffangen kann. Ich weiss, dass ich mich eigentlich auf mich verlassen kann und dass ich, wenn ich mir etwas vorgenommen habe, es am Ende auch durchziehe. Beim NaNo lebt es sich wirklich heikel mit so einer Einstellung. Da sind wir dann hier Zuhause nämlich am Wochenende alle krank geworden und ich war plötzlich so weit zurück, dass ich schon kurz davor war, das Ding einfach zu knicken. Ich wusste ja, dass ich durch Punkt 1 und 2 nie im Leben innerhalb von 3 Tagen auf 10.000 Wörter komme. Und was ist passiert? Ich hab Montags 5.000 Wörter aufs Blatt geknallt und war Dienstags fertig. Einen Tag vor der Deadline. Läuft, ne? (Diesmal wärs aber echt fast daneben gegangen, Mila, Mannomann!)
8. Ich bin definitiv kein Pantser
Beim NaNoWriMo werden zwei Typen von Autoren unterschieden: Die Pantser ("flying by the seat of your pants when writing a novel") starten am ersten November mit nichts als einer Idee und schreiben einfach drauflos, bis sie die paar Hundert Seiten voll haben, die sich mit 50.000 Wörtern so circa füllen lassen. Ich weiss nicht, wer diese Menschen sind, bin aber überzeugt, dass sie Genies sein müssen. Hätte ich nicht den ganzen Oktober damit verbracht, mir meinen Plot zurechtzulegen und meine Szenen zu planen, wäre mir spätestens nach einem Drittel die Puste ausgegangen. Die ersten zehn bis zwölf Tausend Wörter konnte ich im Eifer der ersten Woche noch einigermaßen linear unterschreiben, aber dann kommt - und ich glaube bei fast jedem - dieser Moment, wenn man sich wirklich motivieren muss, um sich den x-ten Tag in Folge wieder dranzusetzen. Und mir hat es extrem geholfen, dass ich einfach in den Szenen springen konnte. Hatte ich auf einen bestimmten Handlungsstrang an dem Tag einfach partout keinen Nerv, habe ich eben eine Szene aus einem anderen Teil des Buches geschrieben und sie dann hinterher miteinander verknüpft. Am nächsten Tag kann nämlich alles schon wieder ganz anders aussehen. Ohne allerdings eine schon vorher festgelegte Storyline stelle ich mir das Ganze echt schwierig vor.
9. Ein gewisses Wissen über Story Architektur ist notwendig.
Ich hatte vor diesem NaNoWriMo nicht nur noch nie ein Buch geschrieben, sondern auch null Ahnung davon hat,
wie Bücher normalerweise geschrieben werden. Es war deshalb für mich eine RIESEN-Offenbarung, dass der Aufbau von Geschichten eigentlich immer dem gleichen Schema folgt. Völlig fasziniert habe ich alle Bücher aus meinem Regal geholt und eins nach dem anderen bei ca. einem Viertel der Seiten aufgeschlagen. Und siehe da: Ohne Ausnahme passiert auf diesen Seiten etwas wichtiges, so wichtig, dass der Held keine andere Chance hat, als bis zum Ende des Buches durch diese Geschichte zu gehen. Woah, was für eine Riesen Glühbirne da aufgegangen ist. Gott sei Dank habe ich mir im September und Oktober die Zeit genommen, mich mit dem Thema Story Architektur auseinander zu setzen. Ohne ein Verständnis für die Grundsätze hätte ich mich nicht nur mit den 50.000 Wörtern schwer getan - ich hätte schon beim Planen der Geschichte ein Problem bekommen. Sehr dankbar bin ich deshalb Larry Brooks, der sein echt hilfreiches Buch "
When every month is NaNoWriMo" für nur 99 Cent als Kindle Version bereitstellt. (Alle Artikel sind auch auf seinem
Blog zu finden, aber ich fand es ganz schön, mich nicht so durchklicken zu müssen)
10. Im November gibt es nur die blanke Seite und mich. Und mein Backup.
Durch Zufall bin ich auf eine Promotion der Software
Ulysses gestoßen. Ich hatte mich nicht viel damit befasst
wie ich mein Buch denn eigentlich schreiben will und hätte ansonsten vermutlich einfach Word genutzt, aber Ulysses ist so. viel. besser! Das Programm ist offensichtlich von Leuten entwickelt worden, die selbst schreiben und genau wissen, was ein Autor braucht und was er nicht braucht. Die Funktionen sind sinnvoll, die Tutorials, wenn man sie braucht, einfach zu verstehen und das Ganze ist super schnell zu meistern, selbst wenn man keinen Plan von Technik hat und sich auch nicht damit befassen möchte. Der Export ist mega easy und das Programm zaubert das Geschriebene mit einem Klick in ein sauber formatiertes Dokument, dass direkt wie ein Buch aussieht. Ulysses kann noch viel mehr, aber das meiner Meinung nach ganz große Plus ist der Editor, der sich so einstellen lässt, dass auf dem Monitor nichts als der gerade geschriebene Text auf einer weissen Seite zu sehen ist. Und wie wunderschön ist der eigene Text auf einer vorher weissen Seite? Buchstäblich etwas zu schaffen, was vorher noch nicht da war. Irres Gefühl.
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Screenshot von meinem Monitor mit Ulysses Editor. Hach, schön, ne? |
Und damit das irre Gefühl sich nicht plötzlich in irre Panik verwandelt, verbindet sich Ulysses mit iCloud und speichert den ganzen Spaß im gleichen Moment, in dem man ein neues Wort schreibt. Ich habe mir auch direkt die Ulysses App für mein iPhone geleistet, was ein paar mal ganz nützlich war, wenn mir unterwegs eine Idee gekommen ist.
11. Was in der Planung schon hakt, funktioniert auch in der Geschichte nicht.
Während ich im Oktober meine Geschichte geplant habe, war ich öfter mal faul. Es gab ein paar Szenen, bei denen ich keine Ahnung hatte, wie der jeweilige Charakter da wieder rauskommt, oder warum etwas genauso passiert ist wie es dort passiert oder warum das da jetzt Sinn macht. Manchmal hab ich mir dann gesagt: "Ach egal, das wird sich beim Schreiben schon herausstellen." Nope. An den Stellen, die mir schon bei der Planung Probleme gemacht haben, hab ich mich dann im November echt aufgehängt. Und das Problem war, dass ich während des NaNoWriMos keine Zeit hatte, den Plot nochmal zu überdenken. Es war zwar faszinierend und lehrreich und irgendwie auch heilsam, einfach über Plot Löcher hinwegzuschreiben, aber ich hätte es mir einfacher gemacht, wenn ich die entsprechende Vorarbeit besser gemacht hätte. (Das heisst übrigens nicht, das mir nicht während des Schreibens laufend neue Ideen gekommen sind. Die kamen aber vorzugsweise dann, wenn ich sowieso wusste,wo ich hinwill.)
11. Die Foren sind voller Problemlöser. Ich muss da nicht alleine durch.
Zeit ist beim NaNoWriMo ein knappes Gut, wenn man es nicht gerade schafft, sich den ganzen November freizunehmen - und wer schafft das schon? Am Anfang des Monats habe ich ein paar mal in den Foren gesurft und mich gefragt, ob die Leute die sich dort über mangelnde Zeit beschweren, nicht besser schreiben sollten. Dann hätten sie mehr Zeit?! Eigentlich ein No-Brainer. Dann hatte ich aber ca. Mitte November plötzlich ein Riesen Loch in meinem Plot, das mir während der Planung irgendwie entgangen war und erst da habe ich den wirklichen Vorteil der Foren erkannt. Man muss das nicht alles alleine durchziehen. Überall auf der Welt sitzen Leute, die genau das gleiche versuchen. Und sich gegenseitig helfen. Ich hatte, innerhalb von einem Tag nachdem ich mein Problem im "Plot Doctoring" Forum gepostet habe, so viele geniale Antworten, dass ich nicht nur meine eigentliche Frage, sondern gleich noch einige weitere Probleme in meinem Plot klären konnte. Im nächsten Jahr werde ich die Foren auf jeden Fall schon während der Vorbereitungszeit viel aktiver nutzen.
Ich habe einen Bachelor und einen Master Abschluss, in meinem Leben diverse Male vor großem Publikum gesprochen, mit fünf Jahren auf einer Bühne "Der Teufel und der junge Mann" von Paola (!) Playback gesungen und noch eine ganze Menge anderer Dinge vollbracht, für die ich mit mehr oder weniger Talent gesegnet war. Aber ich war noch NIE so stolz wie in dem Moment,