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Samstag, 22. Juni 2013

"I'm never going to be hungry again!" - Vom Winde verweht [Rezension Teil 1]

Fantastisch.

Definitiv bis jetzt mein bestes Buch der Liste.
Nichts mehr hinzuzufügen.
Ich bin noch ganz atemlos.

Fürs Erste ein paar Stichpunkte.
Gone with the Wind war für mich:

  • 1000 Seiten und ca. eine Woche kompletter Realitätsverlust
  • 5 Tage lang den Feierabend herbeisehnen, um endlich wieder im Amerika des 19. Jahrhunderts anzukommen
  • Ca 10 mal die Minute ärgern über Scarlett O'Hara
  • Mich pausenlos über den Respekt wundern, den ich einer Frau entgegenbringe, über die ich mich ca. 10 mal die Minute ärgere
  • Unzählige atemlose Momente sobald Rhett Buttler ins Spiel kommt, gefolgt von entnervten Seufzern, wenn er wieder verschwindet
  • ein Ansporn, mich über die Sklaven-Besitzer-Beziehungen in den früheren Südstaaten zu informieren
  • ein bleibendes Gefühl des Ärgers über die "damn Yankees" und die "stubborn Southerners"
  • Eine Festigung der Überzeugung, dass Kriege sinnlos sind. Und die Menschen sich immer das Gegenteil einzureden wissen, wenn die Kriege unausweichlich werden. 
  • eine beängstigende Steigerung meines Südstaatenticks
Verzeihung, kennt jemand die Story nicht? Dann kurz ein paar Worte
Zur Story:

Die 16-jährige Scarlett O'Hara, verwöhnte Tochter eines irischen Plantagenbesitzers und einer der größten Damen des Countys Georgia im Jahre 1861, hat es satt, Geschichten vom Krieg zu hören. Die Männer reden von nichts anderem mehr und sind absolut heiß darauf, den eingebildeten Yankees endlich zu zeigen, wo es lang geht. Denn wenn es zum Krieg kommt, ist ja schließlich klar, dass die Südstaatler den Yankees diese Flausen von wegen "Sklaverei ist falsch" sehr schnell austreiben werden. Scarlett ärgert sich über dieses Interesse am Krieg, denn jedes Interesse, das nicht allein ihr gebührt, ärgert sie. Ihr genügt es, die Schönste auf jedem Ball zu sein und allen Männern den Kopf zu verdrehen. Selbst, wenn die schon einer anderen die Ehe versprochen haben. Gerade dann! So ist es kein Wunder, dass Scarlett zwar der Lieblings aller Männer ist, aber keines der Mädchen sie ausstehen kann.

Mitten in dieser Südstaatenidylle voller Bälle, Barbecues und Flirtereien geschehen zwei Dinge, die Scarletts Welt für immer ändern werden: Der einzige Mann, den sie je wirklich geliebt hat, heiratet eine andere - und der Krieg bricht aus. Scarlett, in einer von Männern dominierten Welt plötzlich auf sich allein gestellt, entdeckt dass sie durchaus die Fähigkeiten hat, sich und andere vor dem Hungertod zu retten. Und wenn die ehrhafte Gemeinschaft der Südstaatler auch noch so schlecht von ihr denkt - Scarlett reagiert mit dem Schwur, der 80 Jahre nach Erscheinen des Buches immer noch berühmt ist:
"As God is my witness, as God is my witness, the Yankees aren't going to lick me. I'm going to live through this, and when it's over, I'm never going to be hungry again. No, nor any of my folks. If I have to steal or kill- as God is my witness, I'm never going to be hungry again."

Meine Meinung:

Die erinnerungswürdigsten Charaktere und die verquersten Beziehungen aller Zeiten

Scarlett O'Hara ist wohl kaum eine Vorzeigeheldin: völlig verzogen und nur auf ihre eigenen Wünsche bedacht, nutzt sie Menschen aus, betrügt sie und kümmert sich einen Dreck darum, wie es ihnen dabei geht. Sie vernachlässigt ihre eigenen Kinder und schreckt auch vor Mord nicht zurück, wenn sie damit ihr Eigentum vergrößern kann. Auf der anderen Seite ist sie herzzerreißend mutig und erbittert loyal, wenn es um die Menschen geht, die sie liebt. Davon gibt es nicht viele, aber überraschenderweise gehören vor allem Sklaven dazu.

Melanie Wilkes ist die Frau, die Scarlett's Traummann schließlich heiratet. Scarlett hasst die gutherzige und durch und durch ehrbare Melly aus tiefstem Herzen. Durch eine seltsame Fügung des Schicksals werden die Wege der beiden Frauen aber zusammengeschweißt und die Beziehung zwischen ihnen ist keine, die der Leser so schnell wieder vergisst.

Rhett Buttler. "The dashing soldier of fortune". Oh verdammt noch mal, was für eine verquere Beziehung. Ich war noch nie so fix und fertig, wenn es um eine Liebesgeschichte geht! In der Hälfte der Szenen, in denen Captain Buttler auftaucht, möchte man einfach nur mit dem Kopf immer. wieder. auf. den. Tisch. schlagen. Wenn man ihn nicht gerade heiraten will.
His eyes were wide and blazing queerly and the tremor in his arms frightened her. "I want to make you faint. I will make you faint. You've had this coming to you for years. None of the fools you've known have kissed you like this - have they? [...] Gentleman all - what do they know about women? What do they know about you? I know you." 

Die Geschichte der Südstaaten hautnah


Mit einem mittelschweren Südstaatentick behaftet, war es jetzt keine allzu große Überraschung, dass ich mich Hals über Kopf in das Buch verliebt habe. Hier bekommt man den Fall der Südstaaten, den dickköpfigen Stolz des Volkes, die verqueren Geschlechter Beziehungen und die widersprüchlichen Beziehungen zwischen Schwarzen und Weißen hautnah mit. (Wenn auch ziemlich romantisiert, wie ich befürchte.) Zu jedem dieser Themen würde sich aber ein eigener Post lohnen, weshalb ich hier nun besser aufhöre, sonst wird dieser Beitrag mehrere seiten lang. Für's erste reicht ein kurzes Fazit.

Fazit:
Wundervoll. Mächtig, berauschend, belehrend, zum atemlos Schmökern und ungebremst heulen. Zum Südstaaten lieben und hassen. 

Dienstag, 17. Juli 2012

Good Wives (1869) - Little Women Part II

Bei diesem Post wird es sich weniger um eine Rezension als eher um eine Buchbesprechung handeln. Soll heißen: Ich werde spoilern wie blöd! 
Wer das Buch noch nicht gelesen hat aber gern würde, sollte deshalb lieber die Rezension zu Part I lesen.

So Mädels, Ich hab jetzt AUCH endlich den zweiten Teil gelesen! Also erstmal muss ich euch was fragen: Wenn ich jetzt nach dem zweiten Teil eher Meg bin anstatt Jo, bin ich dann trotzdem noch eine von "den Coolen" oder muss ich den Titel dann abgeben? Falls dem so ist: Alle Megs bitte mal bei mir melden, wir gründen unseren eigenen Club!

Nun zum Buch: Ist das schööööön! Good wives hat mir noch wesentlich mehr Spaß gemacht als Little Women, wahrscheinlich weil es einfach mehr auf meine Lebenssituation zugeschnitten ist. (Die 150 Jahre Zeitdifferenz lassen wir mal außer Acht. Außerdem müssten wir evtl. ein paar klitzekleine Änderungen an den Moralvorstellungen vornehmen...) Die Schwestern stehen vor Kniffeligkeiten von denen Mädchen in jeder Ära wahrscheinlich die eine oder andere abbekommen: 
Wo gehts hin mit meinem Leben? 
Wie erkenne ich, ob ich mein Leben mit jemandem verbringen will? (Und falls nicht; Wie gebe ich meinem besten Freund einen Korb?) 
Wie verkrafte ich den Tod eines geliebten Menschen? 
Wie komme ich an dieses wundervolle Kleid obwohl ich keine Kohle habe? 
Wie beichte ich meinem Mann, dass ich seinen Monatslohn dafür ausgegeben habe?
Wie schaffe ich es mich bei meinem Mann zu entschuldigen, OBWOHL ICH IM RECHT WAR?
Und auf einer damit nicht im Geringsten zusammenhängenden Ebene: Welcher Idiot bringt einen Kollegen mit zum Essen, wenn 5 Liter Marmelade in der Küche explodiert sind?!
Ich liebe den liebevollen Situationshumor den Louisa May Alcott in ihre kleinen Dramen mit einwebt. Statt fad zu sein, sind es hier gerade die ganz kleinen Alltagsmomente die diese Geschichte so wundervoll bezaubernd machen! Die einzige Sache die mich ein bisschen geärgert hat, ist diese Amy-Laurie Geschichte. Das war mir einfach zu einfach. Und zu kiiiitschiiiig. (Dazu später mehr).

Das Buch wimmelt von wirklichkeitsnahen, herzerwärmenden Szenen, aber die Szene die mir am Nächsten ging war die, als Jo Laurie einen Korb geben muss. Wie sie sogar in eine andere Stadt zieht um ihn  zu "entlieben". Wie sie es dann doch nicht schafft. Wie er so mutig sein Herz über Bord wirft (obwohl sich die Antwort so deutlich abzeichnet! Ach Laurie...
"You are a great deal too good for me (Jo, Mindestens sechs Generationen Frauen haben sich diesen Satz von dir abgeguckt!) and I´m so grateful to you and I´m so proud and fond of you, and I don´t know why I can´t love you as you want me to. I´ve tried but I can´t change the feeling, and it would be a lie to say I do when I don´t."
"Really, truly, Jo?"
He stopped short, and caught both of her hands as he put his question with a look that she did not soon forget.
"Really, truly, dear."
Autsch. Das Herz gebrochen zu kriegen von der ersten richtigen Liebe wird sich in 2000 Jahren noch genauso anfühlen wie 1869.

Es fühlt sich ein bisschen doof an das zu sagen, aber das Buch hat mir, glaube ich, ein paar wertvolle Tips für mein Leben als "Good wive" mitgegeben. So für Kinder erziehen und Mann verstehen und Marmelade kochen und so. (Ich sag doch ich bin Meg.) Auf der Jo-Ebene gibt es aber auch ein paar Erkenntnisse: ICH WILL JETZT EIN BUCH SCHREIBEN! Echt. Vielleicht hört ihr demnächst von mir. 
Auf der Amy Ebene gibt es dagegen keine Erkenntnisse, kann ich mich nicht mit identifizieren mit der Frau, sorry. Dass sie trotz Beth´s Zustand nicht nach Hause fährt finde ich komisch. Das sie ständig so sanft und beherrscht bleibt finde ich bewundernswert, funktioniert bei mir aber nicht. Und das mit Laurie... Da sollte mir mal einer ankommen der grad noch unsterblich in meine Schwester verknallt war und fragen ob ich mit ihm rudern will... 
Außerdem hasse ich rudern.

Und nun zu meinen lieben Mädels die mir in den Kommentaren zu Part eins schonmal freundlicherweise den kompletten zweiten Teil - äh - erklärt haben.

Mila II: "Das Ende des zweiten Buches mit der Heirat aber... Nun ja..."
Meinst du Jo´s Heirat oder Lauries? Jo´s Heirat hat mich ganz glücklich und "Ich habe gerade ein dickes Stück Kuchen gegessen"-mäßig zufriedeb gemacht und ich liebe die Idee mit dem Landschulheim für schwer erziehbare Kinder. Die Liebesgeschichte zwischen Jo und Mr. Bhaer finde ich sehr süß und rührend erzählt, vor allem weil beide so schwer von Begriff sind. 
"Dear old fellow! He couldn´t have got himself up with more care if he´d been going a-wooing." said Jo to herself, and then a sudden thought born of the words made her blush so dreadfully that she had to drop her ball, and go down to hide her face.
Laurie und Amy dagegen... DATT WAR JA WOHL N BISSCHEN FIX FREUNDE! Und der Antrag ist eindeutig der peinlichste Wortwechsel aller Zeiten. Könnte aus einer Rosamunde Pilcher Serie kommen, ich glaube ich bin sogar rot geworden.

"How well we pull together, don´t we?", said Amy, who objected to silence just then.
"So well that I wish we might always pull in the same boat. Will you, Amy?" very tenderly.
"Yes Laurie," very low.
Then they both stopped rowing and unconsciously added a pretty little tableau of human love and happiness to the dissolving views reflected in the lake.

Beim nochmal aufschreiben habe ich Gänsehaut an den Knien bekommen so kitschig ist das. An Amys Stelle wäre mein erster Gedanke nach dem Ja-Wort gewesen: "So. Und jetzt überlegen wir uns schnell einen nicht ganz so schnulzigen Antrag von dem wir unseren Kindern erzählen können, Papa hätte damals DAS gesagt." Außerdem passt das garnicht zu Laurie! Eeeqs. 

Neyasha: "Ach, ich liebe ja den Film (und die Serie) und kann es gar nicht nachvollziehen, dass du ihn abgebrochen hast. Ich habe ihn schon zigmal gesehen und muss jedesmal wieder fürchterlich heulen bei Beths Tod."
Ich fand den Film damals echt unspektakulär aber das ist das Buch ja eigentlich auch. Sogar die Autorin fand den ersten Teil langweilig (laut Wiki-Eintrag). Dabei hat sie aber so eine liebenswerte Truppe erschaffen, dass es um Spannung auch garnicht wirklich geht. Ich glaube ich werde den Film nochmal versuchen. 
 Beths Tod hat mich seltsamerweise kaum berührt. Die Geschichte hatte mich schon so in ihre Friede-Freude-Eierkuchen Stimmung eingehüllt, dass Beths Tod irgendwie ganz natürlich kommt, fand ich.

Ami: "Es gab dann sozusagen auch noch eine zweite Staffel "Mrs Jo und ihre fröhliche Familie"
Ami du wirst zur Spoiler-Queen der ganzen Bande erklärt! 

Donnerstag, 29. März 2012

20.) A Suitable Boy (Teil I) - 1400 Seiten Kultururlaub in Indien.

"A Suitable Boy", 1993 von Vikram Seth geschrieben und 10 Jahre später auf die BBC-Liste der 100 best loved novels gewählt, heißt auf deutsch "Eine gute Partie." Da ich zu der deutschen Version aber nicht mal einen Wikipedia Eintrag gefunden habe, gehe ich mal stark davon aus, dass die Begeisterung, die die BBC Liste vertritt, nicht nach Deutschland übergeschwappt ist. Da ich mittlerweile meine 100Bücher Liste ja fast auswendig kenne, ist natürlich sofort eine Lampe angegangen als ich das Buch auf englisch hier im Second Hand Shop gefunden habe. Ein Blick auf das englische Wikipedia erklärt den Muskelkater in meinen Armen."One of the longest novels ever published in a single volume in the English language." Ahso. Ich bin jetzt ca auf Seite 400 von 1400 (erinnert mich das nicht an irgendwas?!) und komplett in die indische Kultur abgetaucht. Wo Tolstoi mich leider auf seiner Reise nach Russland im Zug vergessen hat, konnte Vikram Seth mich bis jetzt gut abholen. Da die Geschichte ja ein wenig länger ist (ahäm), habe ich mich entschlossen, die Rezension in Teilen zu veröffentlichen, je nachdem wie ich vorankomme. Life-Rezi quasi.

Zur Story (bis jetzt):
Indien in den 50ern, Postkolonialismus. Ziemlich viele politische Spannungen, sowohl im Bezug auf das "Erbe" der britischen Kolonialbesetzung als auch zwischen Hindus und Moslems. Mittendrin mehrere Familien, mit deren Mitgliedern der Leser nach und nach vertraut gemacht wird. Zum Einen hätten wir da Frau Rupa Mehra, eine rührselige Witwe und Mutter mit mit locker sitzenden Tränen aber stahlhartem Willen. Da von ihren 4 Kindern erst 2 verheiratet sind, ist es ihr größtes Ziel, eine gute Partie "A suitable boy" für ihre jüngere Tochter Lata zu finden. Dieser allerdings, obwohl sie normalerweise den Anweisungen ihrer Mutter folgt, passiert ein Ausrutscher: Sie verliebt sich in einen Moslem. Oje, da haben wir den Salat. Rupa Mehra ist ratlos. Warum kann Lata nicht so folgsam sein wie ihre große Schwester und den Mann heiraten und lieben lernen, den ihre Mutter für sie ausgesucht hat? Zum jetzigen Zeitpunkt hat sie Lata deshalb gerade zu ihrem Bruder nach Kalkutta entführt um mit dessen Hilfe (und der seiner oberflächlichen Frau Meenakshi) doch noch einen standesgemäßen Bewerber herbeizuzaubern.

Auf der anderen Seite verfolgen wir das Leben der Kapoor Familie mit, deren ältester Sohn Maan mit Latas Schwester verheiratet ist. Auch hier gibt es Trouble: Maans kleiner Bruder hat sich in die stadtbekannte "Kurtisane" verknallt. Und das wo Vater Kapoor doch Politiker ist und einen Ruf zu verlieren hat. Außerdem hat er noch mit ganz anderen Dingen zu kämpfen, denn in Indien geht es gerade drunter und drüber: Die Bauern mucken wegen der Land Reformen auf und auch Gandhi konnte gegen die Ungerechtigkeit des Systems nicht viel ausrichten.

Träumte von einem friedlichen, gerechten Indien:
Mahatma Gandhi (1869-1948) Quelle
"Da sind Küsse im Gedicht. Was mache ich bloß mit den Küssen?"
A suitable boy ist kein Buch, das man in einem Rutsch verschlingt. Auch nicht in mehreren Rutschen. Genau gesagt sollte man das Wort "verschlingen" vielleicht besser nicht mit diesem Werk in Verbindung bringen. Es ist ein Familienepos, welches "im üppigen Stil der russischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts" geschrieben ist. (Danke Wikipedia. Ich ahnte es bereits...) Während es allerdings bei Tolstoi an privaten Szenen mangelt, spart Vikram Seth nicht an Ihnen. Die langen privaten Gespräche die manchmal keinen anderen Sinn haben als dem Leser die Figur näher zu bringen finde ich schon ab und zu etwas langatmig. Auf der anderen Seite gibt es aber auch vollkommen gerechtfertigte Szenen die eigentlich langweilig sein müssten, - Rupa Mehra bastelt mehrere Seiten lang eine Geburtstagskarte für die neue Frau ihres Vaters-  die durch ihre Authentizität aber einfach Spaß machen. Opa Mehras neue Frau ist nämlich ein paar Jahrzehnte jünger als ihr Mann und damit auch jünger als Rupa Mehra, die über diesen Umstand nicht so einfach hinwegkommt. Während sie also die Geburtstagskarte bastelt, sieht sich immer wieder mit soliden Problemen konfrontiert. So enthält das Gedicht dass sie gern auf die Karte geschrieben hätte leider "viele Küsse", die Rupa Mehra ihrer Stiefmutter aber nicht zukommen lassen will. Was nun? Und außerdem kann sie nun nicht die goldene Zahl auf die Vorderseite kleben, wie sie das sonst immer macht, denn eine goldene 30 könnte ja als Angriff auf die jüngere gewertet werden. Beim folgen dieser mehr oder weniger nachvollziehbaren Gedankengänge erfährt man immer mehr über das Weltbild der Witwe mit all seinen indischen Traditionen und Vorurteilen. Und das fühlt sich ziemlich authentisch an.

Darf ich vorstellen - meine indische Familie.
Man mag Rupa Mehra ein bisschen nörgelig finden, aber eindeutig hat sie es nicht leicht. Nachdem ihr geliebter Mann früh gestorben ist, musste sie vier Kinder allein groß ziehen. Nun sind zwar zwei davon verheiratet, aber auch als Schwiegermutter wird einem nichts geschenkt. Denn Meenakshi, die Frau ihres ältesten  (ziemlich ätzenden, seine Geschwister terrorisierenden) Sohnes ist eine oberflächliche Kuh. Zur Hochzeit hat das Paar von Rupa Mehra das einzig wertvolle bekommen was diese besaß- 2 Goldmedaillien ihres verstorbenen Mannes. Als sie erfährt, dass Meenakshi die Medaillien eingeschmolzen hat, um Ohrringe daraus zu machen, ist sie am Boden zerstört. Und der Leser fühlt mit. Vikram Seth schafft es, dass ich mich beim verfolgen der Figuren ein bisschen fühle wie ein Familienmitglied - amüsiert, zugehörig und ziemlich oft einen Tick genervt von den Macken der anderen. Während allerdings in meiner echten Familie solche Sitautionen zu hübschen Türenknall-Situationen führen würden, ist man in Indien deutlich subtiler. "Lieber Ahrun, ich war so traurig als ich euch schon wieder verlassen musste. Ich freue mich natürlich dass du mich zum Zug gebracht hast, aber dass du nur 10 Minuten bleiben konntest, weil du Meenakshi mit der Party helfen musstest, war etwas unglücklich. Natürlich war die Party sehr wichtig, aber ich dachte man hätte vielleicht auch eine halbe Stunde später mit der Planung anfangen können. Wie auch immer, Meenakshi weiß es am Besten." 


Kultururlaub für die Handtasche
Während ich also als stilles Familienmitglied mit am Tisch sitze und Naan esse, oder mit Latas Freundin Veena aufs Dach vor ihrer strengen Schwiegermutter flüchte, oder mit Veenas Mann in die schmutzverseuchten Vorstädte fahre um mir Schuhe herstellen zu lassen, lerne ich unbewusst ziemlich viel über Indien. Latas Schwager, der Lehrer ist, kommt zum Beispiel einmal nach Hause und erzählt, dass er ein paar Jungs suspendieren musste, die an dem Feiertag "Holi" zu freizügig mit der Farbe waren und Mädchen etwas zu lange damit eingerieben hatten. Falls ihr euch auch fragt, was das soll: Holi ist das indische Frühjahrsfest der Farben, bei dem man sich mit Farbpuder und Perfum bewirft. ("Meine" Familie hat dazu sogar ein ganzes Planschbecken voller pinker Farbe im Garten stehen.) Hatte ich noch nie was von gehört, sieht aber ziemlich lustig aus!

Jetzt weiss ich endlich wozu diese Farben immer gut sind. Hab ich mich schon oft gefragt, die sehen immer so hübshc aus auf den Bildern! (Bildquelle)

(Bildquelle)

Sieht irgendwie staubig aus. (Bildquelle)
Beim Lesen des Buches fühlt man sich also insgesamt ein bisschen, als würde man gerade Kultururlaub in Indien machen. (Oder vielleicht eher einen Austausch.) Es gibt viel zu entdecken, viel zu schmunzeln, aber bis jetzt auch eine ganze Menge Seiten, die sich evtl. einfach mal ohne großen Verlust überblättern lassen. Genau das richtige Buch für einen entspannten Nachmittag im Café, wenn man gerade nicht das Geld oder die Zeit für eine Reise nach Indien hat.



Mittwoch, 21. September 2011

11.) Listen-Nr. 64: Die Dornenvögel von Colleen McCollough, 1977

Mein Lieblingszitat: "And half of him was busy being terifically proud of the fact that she shone all the other ladies down. Miss Carmichael had the patrician features, but lacked the special glory of the red-gold hair; Miss King had exquisite blond tresses, but lacked the lissome body; Miss Mackail was stunning of body but in the face very like a horse eating an apple through a wire-netting fence."

Dieses Buch habe ich größtenteils in meinem Zauberpark in der Sonne gelesen. Als ich zu oben geannter Stelle kam, bin ich laut (laut!) lachend herausgeplatzt. Der halbe Park hat sich zu mir umgedreht. War mir aber egal, ich war zu beschäftigt damit mir vorzustellen wie jemand aussieht, der ein Gesicht hat wie ein Pferd, dass einen Apfel durch einen Drahtzaun kaut. Die Autorin beweist hier einen Humor, von dem sie im Rest der Geschichte leider kaum Gebrauch macht. Tatsächlich zeichnet sich das Buch hauptsächlich durch seine Schwermütigkeit aus. Und dadurch, dass kaum wörtliche Rede benutzt wird. Das ändert sich allerdings ganz plötzlich im letzten Fünftel des Buches, als der Erzählstil sich von einem Moment auf den anderen radikal um 180 Grad dreht. Was war denn da los? Seltsam, tut dem Buch aber keinen Abbruch. Tatsächlich gefällt mir der letzte Teil eigentlich besser als der Rest.

Zur Story: 
Wir verfolgen die Geschichte der Familie Cleary zwischen den Jahren 1915 und 1969. In Irland geboren und nach Neuseeland ausgewandert, wo er in ärmlichen Verhältnissen mit seiner siebenköpfigen Familie eine Schaffarm betreibt, lebt Vater Cleary ein eintöniges aber einigermaßen glückliches Leben. Er führt seine Familie mit strenger, dabei liebevoller Hand und vergöttert seine Frau, die zwar nie lacht, sich jedoch auch nie beschwert und ein Geheimnis mit sich trägt... Als die Familie ein großes Anwesen in Australien erbt, geht es mit Sack und Pack nach Drogheda, mitten ins australische Outback. Hier sind die Konditionen zwar noch härter, es gibt Waldbrände, jede Menge Staub, Schwärme von Fliegen und manchmal jahrelang keinen Regen, aber die Familie passt sich an, arbeitet hart und beginnt das Land zu lieben.

Meine Meinung
Die Dornenvögel ist vordergründig zwar eine Familiensaga, eigentlich aber eine Liebeserklärung der australischen Autorin an ihr Land. Australiens Wildheit, seine Härte und Hitze, seine stoischen Jackaroos - all das ist mit einer hintergründigen Leidenschaft skizziert, die leider den Beziehungen der Charaktere zueinander fehlt. Das Buch ist in sieben Abschnitte aufgeteilt, die jeweils den Namen eines Familienmitgliedes tragen. Eigentlich geht es hingegen hauptsächlich um die drei  Frauen der Familie Cleary und deren verquere Beziehung zueinander. Denn einfach glücklich sein gibt es hier nicht, jeder hat irgendein Problem, dass ihm das Leben (und Lieben) schwer macht. Man bekommt so nach und nach das Gefühl, dass die Autorin nicht besonders viel Sympathie für ihre Charaktere aufbringen kann. Außerdem scheint sie mir eine ganz seltsame Ansicht zu haben, was Mutter-Kind Beziehungen angeht. Die Mütter in diesem Buch lieben ihre Söhne generell deutlich mehr als ihre Töchter und ehrlich gesagt fand ich, dass sich die Beziehung zwischen Müttern und Söhnen hier fast ein bisschen ungesund anhört. Aber die Geschichte geht damit seltsam selbstverständlich um, genauso wie mit zölibatbrechenden Priestern und erwachsenen Männern, die sich in sehr junge Mädchen verlieben. Die Autorin betrachtet diese Themen genauso stoisch, wie die Frauen, denen ständig das Herz gebrochen wird und die Männer, deren Farmen auf Jahre durch Waldbrände verwüstet werden. Die Fähigkeit, sich mit mit einem harten Schicksal abzufinden, ist die tragende Säule dieser Familiengeschichte und mir ein bisschen zu wenig.

Warum ich das Buch trotzdem wirklich gern gelesen habe, kann ich schwer sagen. Denn eigentlich  ist es ein 700 Seiten langer Anti-Klimax. Zweiter Weltkrieg? Paar Seiten, abgehakt. War nicht so groß in Australien. Hauptcharakter stirbt? Ein Absatz muss da genug sein und die Frauen, die ertragen das dann schon. Die Autorin hätte hier auch seitenweise Hauptfiguren killen können, Dramatik Fehlanzeige. Und trotzdem ist die Geschichte faszinierend, vielleicht gerade wegen dieses Mangels an Dramatik. Wegen diesen Cleary Frauen, ihrer Leidenschaft für Australien und ihrer besorgniserregenden Sicht auf Beziehungen ."I used to think having a daughter wasn't nearly as important as having sons, but I was wrong. I enjoy you, Meggie, in a way I can never enjoy my sons. A daughter's an equal. Sons aren't, you know. They're just defenseless dolls we set up to knock down at our leisure." Wenn man dieses Zitat liest, weiß man überhaupt nicht, wen man mehr bemitleiden soll: Söhne, Mütter oder Töchter. In ihre Geschichte wird man jedoch hineingezogen, ob man es will oder nicht. Und als ich mich dann an die Trockenheit, die staubige Dürre der Geschichte gewöhnt hatte wie die Clearys an Australien, hat die Autorin mich völlig aus der Bahn geworfen und einen Charakter erfunden, der so gar nicht zum Erzählstil passt, aber im Gedächtnis bleibt; Zauberhafte, rotzfreche, gutherzige, witzige Justine: Schade das du erst so spät im Buch geboren wirst!


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