Montag, 13. April 2015

Endlich wieder eine gute Dystopie: Die Eleria-Trilogie

Ach, hi. Da arbeitet man mal nen bisschen mehr - und zack, steht der Block sechs Monate still. Als Ausgleich dafür endlich mal wieder eine richtig erfreuliche Trilogie nach den Enttäuschungen der letzten Jahre.

Ich bin ja schon seit Erebos ein großer Fan der Bücher von Ursula Poznanski, die nicht nur fantastische Jugend-Romane schreibt, sondern auch hochspannende, richtig schön blutige Erwachsenenthriller. Die Eleria-Trilogie, Frau Poznaskis bisher erste Trilogie, liegt irgendwo dazwischen.



Zur Story

Die Reihe besteht aus den drei Bänden 1. "Die Verratenen", 2. "Die Verdammten" und "Die Vernichteten". Wir befinden uns in einem postapokalyptischen Deutschland, in dem die Menschen sich in zwei Lager spalten. Diejenigen, deren Vorfahren das Glück hatten, sich vor dem Vulkanausbruch in die sogenannten "Sphären" (riesige Glaskuppeln) retten zu können, führen ein komfortables, vor Umwelteinflüssen geschütztes Leben. Alle anderen kämpfen in der eiskalten Wildnis ums nackte, primitive Überleben. Von einigen Sphärenbewohnern werden sie deshalb abfällig auch "Prims" genannt und es kommt immer öfter zu Kämpfen zwischen den beiden Lagern. Ria, eine der Elitestudentinnen der Sphären, hofft darauf, ihre einflussreiche Position einsetzen zu können, um das Verhältnis zwischen Prims und Sphärenbewohnern eines Tages zu verbessern. Doch dann bekommt sie durch einen Zufall mit, dass nicht nur sie selbst, sondern auch fünf andere vielversprechende Studenten von den Befehlshabern der Sphären getötet werden sollen - ihnen bleibt nichts anderes über, als Hals über Kopf in die Wildnis zu fliehen.

Stärken der Trilogie:


1. Manchmal täuscht der Klappentext!

Ehrlich gesagt finde ich es extrem schwer, den Inhalt der Bücher so zusammenzufassen, dass man Lust bekommt, sie dann auch zu lesen. (Noch dazu finde ich diese nichtssagenden schwarz-weiss Cover wirklich alles andere als gelungen!) Nachdem ich dann auch den Klappentext des ersten Bandes überflogen hatte, wäre das Buch wieder im Regal gelandet, wenn ich die Autorin nicht schon gekannt und als genial befunden hätte. So war ich trotzdem ziemlich skeptisch und habe auch tatsächlich abgewartet, bis die Bücher endlich mal in der Bibliothek zu haben waren. So geduldig bin ich normalerweise nicht. Nach dem ersten Band war es allerdings ein Glück, dass ich Band zwei und drei auch gleich mitgenommen hatte, denn ich habe für die gesamten knapp 1500 Seiten keine drei Tage gebraucht. Die Geschichte ist schlüssig, intelligent aufgebaut, hat eine starke Heldin, die trotzdem glaubwürdig bleibt und ist, wie eigentlich immer bei Ursula Poznanski, einfach sauspannend!

2. Behutsam aufgebaute Postapokalypse

"Der Automat, aus dem wir außerhalb der Essenszeiten Nahrung beziehen können, liest meine Salvatordaten aus und lässt mir die Wahl zwischen angereichertem Hummus und einem Proteinshake."

Die Sphären, in denen Ria aufgewachsen ist, sind technisch auf dem neuesten Stand und verbinden viele bekannte Elemente aus anderen Dystopien. Rias Welt ist eine Mischung aus der Brave New World von Aldous Huxley, in der Menschen in Reagenzgläsern gezeugt werden, der "Uglies"-Reihe von Scott Westerfeld, in der ihre Gesichter als Jugendliche zur Perfektion operiert werden und vielen anderen Welten, in denen Jugend Science-Fiction Fans eine Menge wieder erkennen werden. Das ist aber in Ordnung, denn Ursula Poznanski lässt diese Elemente nie in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken, sondern benutzt sie nur, um behutsam eine Welt entstehen zu lassen, der ein hoch intelligentes, mutiges und liebenswertes Mädchen wie Ria trotzdem noch glaubwürdig loyal gegenüber stehen kann.

 "Der Shake schmeckt wie Kleister über den jemand einen Apfel gerieben hat. Das Cafe Agora ist bis auf den letzten Platz besetzt. Es gibt nur wenige Orte in unserer Sphäre, wo man so sehr den Eindruck von Weite hat, wo man das Gefühl sich in den Eingeweiden eines riesigen Tiers zu befinden, beinahe vergisst."
3. Erfrischende Elite ohne Superkräfte

Ich habe in letzter Zeit wirklich zu viele Bücher gelesen, in denen die Helden völlig unnachvollziehbar auf einmal herausfinden, dass sie eigentlich so gut wie alles können. (Auch wenn sie vorher realistisch gesehen ziemlich dumpfbackig durch die Gegend gegurkt sind - plötzlich können sie dann nicht nur kämpfen wie zu besten Zeiten in Sparta, sondern sie sind auch noch so unwiderstehlich charmant und einflussreich, dass Ihnen nicht nur Herzen sondern auch Gehirne kollektiv zufliegen.)

Hier ist das nicht so. Die - eigentlich ja recht naheliegende - Idee, Menschen in ihren angeborenen Begabungen speziell auszubilden und dann genau diese Talente durch rigoroses Training messerscharf herauszubilden, kam mir in diesem Jugend-Dystopie Kontext seltsamerweise fast revolutionär vor. So ist Ria dazu ausgebildet, ihre natürliche Empathie zu nutzen und in Gesichtern zu lesen, um die Menschen dann durch ihre angeborene Argumentationsstärke und die perfektionierte Beherrschung ihrer Mimik dazu zu bringen, auf ihren Rat zu hören. Zu den anderen Mitgliedern der fliehenden Sechsergruppe gehören:

  • Tycho, Spezialist darin, technische Details in Sekundenschnelle zu verstehen (und definitiv der Sidekick mit Lieblings-Charakterpotential),
  • Aurelio, der ehemals zukünftige Präsident der Sphären mit einem Talent Menschen Vertrauen einzuflößen
  • Tomma, die als Biologin alle Pflanzen zum Blühen bringen kann
  • Dantorian, der Künstler und Sänger
  • und.. äh.. dings. Der Medizinstudent. 
Ihr seht schon: Eine Kombination von Talenten, die entweder zu einem Lost-Abklatsch voller Klischees führen kann -  oder zu einer rasanten Flucht- und Entdeckungsjagd auf höchster Spannungsebene. Wobei ich zugeben muss, dass für Zweiteres schon einiges Talent vorhanden sein sollte - glücklicherweise ist Ursula Poznasnki genau die richtige dafür!


4. Eine starke Heldin, endlich mal.

Ria bildet sich zu keinem Zeitpunkt ein, in der perfekten Welt zu leben. Im Gegenteil, ihr Ziel ist es, eines Tages auch die Außenwelt wieder lebenswert zu machen, eine Verständigung zwischen Sphärenbewohnern und Prims zu schaffen und ihre Ausbildung zu nutzen um ihrem Land eine gute Anführerin zu werden, denn dafür ist sie trainiert. Nicht nur das, dazu ist sie extra im Genpool perfekt zusammengestellt und aufgezogen worden. Denn, im Gegensatz zu einfachen Handwerkern, ist die Elite des Landes nicht von Eltern gezeugt und dort aufgewachsen, sondern als "Vitro" im Reagenzglas entstanden und seit der Kindheit von ausgebildeten Erziehern trainiert worden.

Sie ist sich vollkommen bewusst, dass sie ihre Fähigkeiten sowohl der geschickten Genzusammenstellung als auch ihrem strikten Training verdankt und zeigt deshalb eine Aufgeklärtheit, die ich so oft in anderen Dystopien vermisse. Ria ist keine naive kleine Prinzessin, die durch Zufall zur Heldin wird, sondern ein starker Charakter, der die Gepflogenheiten ihrer Welt durchblickt und als Notwendigkeit erkennt.

"Keine Zeit für Träumereien. Ich binde das Haar zu einem Knoten, während ich fast automatisch vor dem Spiegel meine Übungen mache. Missbilligung. Verständnis. Vertrauen. Wertschätzung. Duldsamkeit fällt mir schwer, wie immer, und ich breche mitten in der Übung ab. Fixiere meinen Blick im Spiegel und frage mich, ob sich die Akadiemieleitung überlegt hat, auch an meinem Gesicht etwas zu ändern."

Auch die anderen Charaktere im Buch sind schlüssig aufgebaut, allerdings mit kleinen Ausnahmen eher Statisten, die keine besonderen Charakterentwicklungen erleben. Das hat mich aber nicht besonders gestört, denn der generelle Beziehungsaufbau ist trotzdem liebenswert und die Dialoge oft auch.

"Ich will euch nichts vormachen. Ich wäre erstaunt, wenn jemand von uns lebend ankommt. Wir alle vier - das wäre ein Wunder."
In Tychos Augen glitzert etwas Wildes. "Umso besser. Wunder stehen ganz oben auf meiner Liste unerledigter Dinge."

Wermutstropfen:


1. Etwas mehr Gefühl, Frau Poznanski!

Ich muss sagen, dass ich generell den Schreibstil der Autorin oft ein bisschen zu sachlich finde. Ihre Liebesbeziehungen werden in anderen Büchern immer nur angedeutet, aber hier stellt eine Dreiecksbeziehung einen der Haupterzählstränge (ja, das ist leider etwas klischeehaft, aber gut gelöst!). Ein wenig mehr Leidenschaft hätte der Erzählweise deshalb nicht geschadet. Genau wie ihre Heldin Eleria scheint sich Frau Poznanski vor zu viel Pathos zu scheuen, aber ein bisschen mehr davon hätte der Geschichte wirklich ganz gut getan. Man will ja schließlich auch mal heulen, wa?!

2. Der Hänger im 3. Band - was war da los?

Die ersten beiden Bände habe ich verschlungen, wobei ich den zweiten Band, vor allem zum Ende hin, sogar noch mal spannender fand als den ersten. Allerdings gab es dann in der Mitte des letzten Bandes (ich würde leider sogar sagen, im kompletten zweiten Drittel!) eine echt fiese Durststrecke, durch die ich mich teilweise durchkämpfen musste. Das hätte man deutlich knackiger machen können, zumal der dritte Band mit 528 Seiten fast 100 Seiten länger ist, als die ersten beiden.

Fazit:


Trotz der Wermutstropfen eine sehr gelungene Trilogie, die einfach Spaß macht! Über weite Strecken Spannung pur, mit leichten romantischen Anklängen und einer Welt, die endlich mal wieder nicht nur schwarz/weiss ist.



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