Dienstag, 31. Dezember 2013

Die schwerste Rezension des Jahres

Fiebrig durchgelesen, gestern Abend um 22:00 gemerkt, dass ich keine Rezension mehr hinbekomme, nachts um zwei wenigstens noch ein paar Lieblingszitate aufgeschrieben und nun doch nochmal verzweifelt an den Versuch einer Rezension gesetzt obwohlicheigentlichviellieberBridgetJones-guckenwürdeunddabeizumFrühstückChipsessen. Well then.

Zwei Fehler zuerst:

  • The God of Small Things ist kein Buch zum eben mal schnell rezensieren. Es ist auch eigentlich kein Buch zum schnell mal durchlesen. Hier lag mein erster Fehler: In der Wahl des 12. Buches. Eine Wahl die mich fast meine eigene Challenge verlieren lässt.
  • Der zweite Fehler war es, mir gestern Abend noch einmal zwei Rezensionen anderer Challenge-Teilnehmerinnen durchzulesen, die das selbe Buch gewählt hatten (das mache ich eigentlich nie, bevor ich nicht selber meine Gedanken formuliert habe). Birthes wunderschöne Beschreibung, die der Grund war, das Buch zu wählen. Und Neyashas (gar nicht so) "armseliger Versuch einer Rezension", der ziemlich genau das wiederspiegelt, was ich nach dem Zuklappen des Buches gedacht habe. Nun fällt es mir noch schwerer, meine eigenen Gedanken auf die Reihe zu bringen, denn die sind überhaupt nicht klar, was meine Meinung zu diesem Buch betrifft.

Der Versuch einer Inhaltsbeschreibung

Da fängt es schon an. Die Geschichte ist so verschachtelt aufgebaut, mit Zeitsprüngen, kleinen Vorausblicken und Rückblenden, dass es kaum möglich ist, sie zusammenzufassen ohne zu viel zu verraten. Es ist eigentlich schon sehr früh klar, was passieren wird, doch wie oder warum es dazu kommt, wird erst nach und nach - manchmal entnervend langsam, manchmal schockierend plötzlich - enthüllt. Ein Großteil der Handlung spielt sich im Jahr 1969 in der indischen Kleinstadt Ayemenem in dem Mehrgenerationenhaus einer syrisch-orthodoxen Familie ab. Vordergründig geht es um die Zwillinge Estha und Rahel , deren kindliche Wahrnehmungen (the Small Things - die "kleinen Dinge") im Fokus der Aufmerksamkeit liegen. Die eigentliche Geschichte, wie Birthe es sehr schön beschreibt, erleben wir meist nur "wie Schatten im Hintergrund". 

Und da so viele monumentale Themen subtil und hintergründig in die Erzählung der Kinder eingewoben werden - emotionaler und körperlicher Missbrauch, Emanzipation, Kastensystem, Kulturclash, Kommunismus, Generationenwandel, Mord, Krankheit - kann ich mir vorstellen, dass auch jeder Leser einer andere Geschichte liest. Je nachdem wieviel Bedeutung und persönliche Erfahrung man mit einem Thema verbindet, liest der eine vielleicht die Geschichte einer Emanzipation, der andere die Geschichte einer missverstanden Liebe und der Dritte findet sich in der Rolle des unterdrückten Klassenkämpfers wieder. 


Ein mühelos leichtes Spiel mit Metaphern

Wie Birthe bin ich der Meinung, dass "The God of Small Things" ein sprachlich unglaublich faszinierendes Buch ist. Die Sprache ist dermaßen bildlich, dass ich im Kopf auch nach dem Lesen quasi von einer Szene in die andere spazieren kann, weil sich mir die Eindrücke so sehr eingeprägt haben. Arundhati Roy benutzt Metaphern wie andere Autoren Adjektive - sie spielt so mühelos mit ihnen, dass sich den ausschweifenden Beschreibungen nie die Schwere und Eintönigkeit aufdrückt, die andere Autoren unweigerlich durch zu viele Beschreibungen mit sich bringen. (Roy schafft es in wenigen Sätzen ein Bild und das Gefühl einer Landschaft zu vermitteln, für das Tolkien 10 Seiten gebraucht hätte). 

Zwei Zitate haben mich besonders beeindruckt, jedes für sich schreibt in wenigen Worten seine eigene lange, traurige Geschichte.

"The inspector asked his question. Estha's mouth said yes. 
Childhood tiptoed out.
Silence slid in like a bolt."

"He left behind him a Hole in the Universe through which darkness poured like liquid tar. Through which their mother followed without even turning to wave good-bye. She left them behind, spinning in the dark, with no moorings, in a place with no foundation."


Bilder, die sich nicht mehr aus dem Kopf verbannen lassen

Mit diesem Sprachtalent schafft sie es einerseits, die Geschichte schillern und leuchten zu lassen, auf der anderen Seite können die Metaphern aber auch dermaßen unvermittelt brutal sein, dass ungebetene Bilder sich nicht mehr so einfach aus dem Kopf verbannen lassen. Dieses hier zum Beispiel:
"He kept walking. His face was neither lifted towards the rain, nor bent away from it. He neither welcomed it nor warded it off. The rain (...) didn't stop the feeling that somebody had lifted off his head and vomitted into his body. Lumpy vomit dribbling down his insides. Over his heart. His lungs. The slow thick drip into the pit of his stomach. All his organs awash in vomit. There was nothing the rain could do about that."
Kein Buch für Unkonzentrierte

Anders als Birthe, fand ich die Zeitsprünge in der Erzählung durchaus ab und zu verwirrend. Obwohl ich das Buch fast am Stück gelesen habe, bin ich einige Male ziemlich durcheinander gekommen, in welcher Zeit ich mich nun eigentlich befinde. Wäre ich hier noch unkonzentriert gewesen oder hätte das Buch zwischendurch für einige Tage weggelegt - ich bezweifle, dass ich es geschafft hätte, den roten Faden nicht zu verlieren. Ich bin jedoch generell kein Fan von chronologisch durcheinandergewirbelten Erzählungen und fand diesen Aspekt des Buches daher auch eher anstrengend. 

Etwas fehlt


Neyasha kam zu dem Schluss, dass ihr etwas gefehlt hat. Nur was ihr gefehlt hat bei diesem Roman, der doch eigentlich meisterhaft erzähl ist, den man froh ist, wenigstens einmal im Leben gelesen zu haben, der viel über die indische Kultur und menschliche Gefühle an sich aussagt, weiss sie nicht. Mir geht es genauso. Obwohl ich so viel markiert habe, wie lange in keinem Buch mehr, obwohl mich die Sprachgewalt begeistert, die Einsichten in die menschliche Psyche sprachlos gemacht haben... wäre es nicht für die Challenge gewesen, ich glaube ich hätte das Buch abgebrochen.

Warum? 
Vielleicht hat mir die Spannung gefehlt, vielleicht auch die Identifikation mit einem Charakter, vielleicht war mir der kulturelle Hintergrund zu fern, vielleicht gab es zu wenig wirklich fröhliche Momente in dem Buch, die all die Tragik aufwiegen konnten. Vielleicht fand ich die Nachvollziehbarkeit der leichten und schweren Grausamkeiten innerhalb der Familie zu erschreckend. Vielleicht.

Alles was ich sagen kann, ist, dass ich mich freue, dass Buch gelesen zu haben - und dass ich damit jetzt fertig bin.

Challenge completed!

Genauso wie ich die "Bücher die man gelesen haben muss"-Challenge für dieses Jahr erfolgreich beendet habe. Auf den letzten Drücker zwar, aber es ist geschafft. Ich wünsche euch einen wundervollen Silvesterabend. Morgen gibt es den Challenge-Rückblick, ich freue mich wahnsinnig, dass so viele von euch so motiviert dabei sind und waren!

(Favorite Quotes/Lieblingszitate) The God of Small Things

Wie im Fieber habe ich in den letzten 24 Stunden The God of Small Things durchgelesen, um nicht bei meiner eigenen Challenge zu verlieren und Abends noch eine Rezension schreiben zu können. Nur um zu erkennen, dass dieses Buch wirklich nicht dazu gemacht ist, es mal eben schnell zu rezensieren. 
Um es zu zitieren dagegen - absolut! Deshalb seit langer Zeit mal wieder ein Favorite Quotes-Post aus einem Buch, dessen Sprache oft tatsächlich so "hauntingly wonderful" ist, wie der Klappentext es verspricht.

"He left behind a Hole in the Universe through which darkness poured like liquid tar."
In the angry quietness (...) Ammu slammed the door and walked to her room, shoulders shining. Leaving everybody to wonder where she had learned her affrontery from.
And truth be told, it was no small wondering matter.
Because Ammu had not had the kind of educaion, nor read the sorts of books, nor met the sorts of people, that might have influenced her to think the way she did.
She was just that sort of animal.
It simply did not occur to her that she had hurt him as deeply as she had, because she still thought of herself as an ordinary woman and him as an extraordinary man.

"He greeted them with the utmost courtesy. He addressed them all as Kochamma and gave them fresh coconut water to drink. He chatted to them about the weather (...) It is only now, these years later, that Rahel with adult hindsight recognized the sweetness of that gesture. A grown man entertaining three (children), treating them like real ladies. Instinctively colluding in the conspiracy of their fiction, taking care not to decimate it with adult carelessness. Or affection.
It is after all so easy to shatter a story. To break a chain of thought. To ruin a fragment of a dream being carried around carefully like a piece of porcelain."

When Ammu was really angry she sad jolly well. Jolly well was a deeply well with larving dead people in it.
"If you´re happy in a dream, Ammu, does that count?" Estha asked.
"Does what count?"
"The happiness - does it count?"
She knew exactly what he meant, her son with his spoiled puff.
Because the truth is, that only what counts, counts.
The simple, unswerving wisdom of children.

She was perhaps too young to realize that what she assumed was her love for him was actually a tentative, timorous, acceptance of herself.

They fretted over his frailty. His smallness. The adequacy of his camouflage. His seemingly self-destructive pride. They grew to love his eclectic taste. His shambling dignity.
They chose him because they knew that they had to put their faith in fragility. Stick to smallness. Each time they parted, they extracted only one small promise from each other.
Tomorrow?
Tomorrow.

Sonntag, 22. Dezember 2013

Mein Weihnachtsbaum und eure Weihnachtskugel-Wunschtieredition

Ein wenig leichtsinnig habe ich euch vor zwei Wochen Weihnachten 'a la Wunschtier versprochen und euch aufgefordert, euch eure Lieblings-Kugeltiere zu wünschen. 

Ähm.

Arianas Katze habe ich in meiner unendlichen Arroganz als "viel zu einfach" verworfen.
Carolines (ich habe keinen Zugriff auf dein Profil...) Kamel war mir dagegen, genau wie Moenas Schnabeltier dann doch ein ganz klein bisschen zu komplex, wobei ich das Schnabeltier definitiv nächstes Jahr ausprobieren will, weil ich die Viecher bombastisch cool finde. 

Nach diesen drei Aussortierungen bleiben noch zwei Wünsche übrig...

Kugeltier Nummer 1

Das Streifenzebra hat sich in bewundernswerter Kreativität ein... STREIFENZEBRA gewünscht! Cool dachte ich, schwarz-weiss sieht bestimmt fantastisch auf fliederblau grundierten Kugeln aus. Und da fliederblau meine Lieblingsfarbe ist, hatte das Streifenzebra leichtes Spiel. 

Der Kopf ließ sich tatsächlich auch einigermaßen befriedigend auf die Kugel malen. Leider hatte ich dann plötzlich gar nicht mehr so viel Kugel übrig aber noch eine ganze Menge Beine! Also... stellt euch einfach vor, es rennt.



Kugeltier Nummer 2

"Als ich heute Mittag raus ging, schien die Sonne und es fühlte sich an als wären es mindestens 15 Grad - und ich fing an über Weihnachten in Australien nachzudenken. Für mich undenkbar, ich sehne mich im Dezember nach Frost und Schnee! Trotzdem fände ich es lustig, wenn du einen Weihnachtswombat auf eine deiner Kugeln malen würdest. Wombats sind tolle Viecher und ich mag einfach den Klang des Wortes "Weihnachtswombat". Außerdem dürfte so ein Wombat etwas herausfordernder sein als eine schlichte Eule ... "

Mit diesem Kommentar hatte die Winterkatze meinen Ehrgeiz geweckt. Sie hatte Recht. 

Ein Wombat ist tatsächlich herausfordernder als eine Eule. 
Wesentlich herausfordernder. 
In der Tat dermaßen herausfordernd, dass ich verzweifle meine Mama um Hilfe bitten musste, da der braune Klops auf meiner Kugel eher nach einem unabsichtlichen Fall ins Nutellaglas aussah, als nach einem Tier. Aber ich hatte Glück, denn ich habe eine talentierte Mama, die es geschafft hat, dass das Tier auf der Kugel hinterher sehr viel eleganter aussah, als von mir auch nur erträumt. 

Voilà: Das Weihnachtswombat!

Ich finde, es macht sich ganz hervorragend an meiner Tanne. Hätte gar nicht erwartet, dass so ein hitzeliebendes Tier sich so gut an die heimischen Gegebenheiten anpassen kann. 


Insgesamt sieht unser kleines Bäumchen nun, inklusive Weihnachtswombat und Zebra ganz allerliebst aus! Selbst wenn es sich nach Entpacken (wir kauften die Tanne im Sack...) als ein klein wenig schief und ein gutes Stück voluminöser um die Taille herausstellte, als erwartet - ich habe das Weihnachtsbäumchen fest ins Herz geschlossen. 

Habt ihr schon einen Baum?


Falls wir uns vorher nicht mehr lesen: Ich wünsche euch wunderschöne, entspannte Feiertage mit euren Lieben und schicke euch allerliebste Grüße aus meinem kleinen Weihnachts-Wunschtier-Zoo!

Sonntag, 15. Dezember 2013

Vicky Angel - Ein Kinderbuch, das Bauchschmerzen macht.

Puh... das Buch sah so harmlos aus und hat gerade mal 150 Seiten. Ich hatte echt nicht mit so starkem Tobak gerechnet. 

Zur Story
Die Geschichte ist fix erzählt: Jade und Vicky sind seit dem Kindergarten unzertrennlich. Mittlerweile sind sie 15 und machen immer noch alles gemeinsam - bis Vicky einen Unfall hat und stirbt. Jade ist am Boden zerstört. Doch Vicky lässt sich von einer Kleinigkeit wie ihrem eigenen Tod nicht davon abhalten, Jade Gesellschaft zu leisten - auch wenn Jade es vielleicht gar nicht möchte.

Warum ich Bauchschmerzen hatte...

Mir war bewusst, dass es um ein Mädchen geht, deren beste Freundin stirbt, ich habe also trotz des kindlichen Covers und des sehr geringen Umfangs des Büchleins eine eher traurige Geschichte erwartet. Was ich jedoch überhaupt nicht einkalkuliert habe, ist dass das Buch mir so stark an die Nieren gehen würde. 

Erstaunlich ist der Grund für das mulmige Gefühl, das ich beim Lesen hatte. Denn es hatte weniger mit der Tatsache zu tun, dass Jade ihre beste Freundin verloren hat - sondern vielmehr damit, dass ich das Gefühl hatte, sie hätte nie eine gehabt. Vicky, die im Buch durchgehend als hübsch, beliebt, charmant, pfiffig und witzig beschrieben wird, hat keine Chance diese Eigenschaften auch wirklich mal in Action zu zeigen, denn sie stirbt schon im ersten Kapitel. Vorher benimmt sie sich allerdings charaktergetreu genau so, wie sie auch im Rest des Buches bleiben wird: Ob tot oder lebendig, Vicky ist ein einfach nur ein ätzendes kleines Biest!

Eine ungesunde Freundschaft

Es wird sehr schnell klar, dass in der "Freundschaft" zwischen Vicky und Jade eigentlich immer nur Vicky etwas zu sagen hat. Vicky bestimmt, welchen Kurs die beiden belegen, mit wem sie sich anfreunden und was sie nach der Schule machen. Zeigt Jade mal einen Funken eigenen Willen, kommt von Vicky die geballte Palette Gegenwind: Sie macht sich über Jade lustig, ist böse auf sie, manipuliert sie mit Freundlichkeit oder ignoriert sie - ich hab eigentlich kaum eine Szene gefunden, in der ich auch nur einen Funken echte Freundschaft gefunden hätte. Das was das Buch hier beschreibt, ist eher eine ganz miese Abhängigkeitskiste, in der ein Mädchen von einem anderen heftig psychisch unterdrückt wird. Jade hat überhaupt keine eigene Persönlichkeit mehr, das wird schon im ersten Kapitel mehr als deutlich:
"It's bad enough having to go to school," Vicky says, "so who's sad enough to want to stay after - like voluntarily?" I nod out of habit. I always agree with Vicky.
Und weil Jade immer die gleiche Meinung hat wie Vicky, meldet sie sich auch nicht für den Schauspielclub an. Obwohl sie das so gerne machen möchte und noch dazu wirklich Talent hat. Sie probt sogar immer allein zuhause, wenn niemand da ist:
"Sometimes I'll act people I know. I always end up acting Vicky (...). I always feel much more alive when I'm being Vicky."
Sie tut immer so, als wäre sie Vicky, wenn sie allein ist?! Mir ist beim Lesen noch öfter ein unguter Schauer über den Rücken gelaufen, aber hier, auf Seite 3, haben das erste mal sämtliche Alarmglocken geschrillt.

Übrigens ist Vicky sich vollkommen darüber bewusst, dass Jade unbedingt in die Schauspiel-AG möchte und das nicht nur weil Jade sie schamlos anbettelt, doch bitte mitzukommen. Statt ihrer "Freundin" jedoch den Gefallen zu tun, lacht sie sie aus und macht sich über die AG und alle ihre Teilnehmer lustig.

Fünf Minuten später ist Vicky tot.

Was danach passiert, ist die schmerzhafte Emanzipation eines Mädchens von ihrer übermächtigen Freundin. Denn Vicky denkt nicht daran, sich einfach in Luft aufzulösen, nur weil sie tot ist! Leider ist sie als Geist - den nur Jade sehen und hören kann - genauso ein Biest wie lebendig.

"You want them to be miserable?"
"Of course."
"For always?"
"Definitely."
I swallow. "What about me?"
"Double-definitely!"
"But that's not fair."
"It's not fair that I've been killed, is it?"
"I know, but..."
"You can't be happy without me."
It's an order. I have to obey.


Bis Jade schließlich beginnt, sich gegen Vicky aufzulehnen, hat der Leser eine ganz schön heftige emotionale Achterbahn hinter sich. Nicht nur, dass Vicky Jade dazu bringt, alle ihr angebotenen Freundschaften brutal abzuschmettern - es stellt sich auch heraus, dass Jade Zuhause nicht unbedingt das hat, was man unter "Bilderbuchfamilie" kategorisieren würde. 

Mein Fazit

Emotionale Abhängigkeit, Tod, Verzweiflung, Suizidgedanken, Unabhängigkeit, Unfähige oder unsichere Eltern - Jacqueline Wilson ist als Autorin dafür bekannt, dass sie heftige Themen kindgerecht aufarbeitet. Doch obwohl ich "Vicky Angel" für ein ganz tolles Buch halte - der Schreibstil ist klasse und die letztendliche Lösung der Probleme und die irgendwie rührende Entwicklung von Jades Familiensituation haben mir sehr gut gefallen - finde ich, dass hier ein wenig zu nonchalant geschrieben wurde. Es wird für mich nicht hinreichend deutlich, dass die Beziehung zwischen Vicky und Jade alles andere als eine normale Freundschaft ist und ich frage mich, was wohl aus Jade geworden wäre, wenn Vicky nicht vor das Auto gelaufen wäre. 

Ich finde es seltsam, dass sich scheinbar niemand der Erwachsenen Sorgen um diese seltsame Freundschaft gemacht hat und es scheint mir auch wenig glaubwürdig, dass Vicky anscheinend so wahnsinnig beliebt bei allen Schülern und Lehrern war. Für Kinder unter 14 würde ich das Buch eigentlich nur empfehlen, wenn ein Erwachsener mitliest und mit Ihnen darüber reden kann.  Insgesamt ist "Vicky Angel" eine sehr, sehr lesenswerte Geschichte über das Erwachsenwerden, deren viel zu harmloses Cover eine ganze Menge emotionalen Sprengstoff versteckt.

Montag, 9. Dezember 2013

Weihnachten à la Wunschtier - 2013 Edition


Eule? Eule.

Aber dazu gleich mehr.

Erst einmal ganz herzlichen Glückwunsch an Ariana und Carolin, die tatsächlich schon die "Bücher, die man gelesen haben muss"-Challenge gemeistert haben. Ich bin stolz auf euch meine Lieben, ihr habt ganz unglaublich gut durchgehalten!

Meinen eigenen Challenge-Erfolg sah ich schon in unerreichbar weite Ferne entschwinden, da mich die Zeitumstellung irgendwie lahmgelegt hatte und ich wochenlang dermaßen müde nach Hause kam, dass ich eigentlich nur noch einen Film gucken und schlafen konnte. Dann habe ich es jedoch geschafft, innerhalb von zwei Wochen zwei verschiedene Fahrräder plattzufahren, was mir zwangsweise ein Monatsticket für den Berliner Stadtverkehr bescherte. Und siehe da: Die 50 Minuten Fahrstrecke - pro Weg, wohlgemerkt - wirken sich ganz ausgezeichnet auf meinen Challenge Erfolg aus. Auf den Leseteil zumindest, denn ich bin mit meinen 12 Büchern durch. An der Müdigkeit sobald ich nach Hause komme, ändert diese Transportmittelumstellung allerdings nicht so viel und ich bin Abends einfach zu faul zum Rezensieren. 

Was dagegen seit Kurzem wieder ganz hervorragend geht, ist die Weihnachtsbastelei. Wir kennen das ja schon aus den letzten Jahren: Sobald sich auch nur ansatzweise das erste Schnee(-regen)-Flöckchen zeigt, bricht im Hause 100Bücher das kreative Chaos aus. Und weil ich scheinbar ernste Probleme damit habe, etwas zustande zu bringen, das keine Augen aufweist, sind meine Dekorationen regelmäßig im Tierreich angesiedelt.  

Meine Damen und Herren: Im Jahr 2012 erlebten Sie bereits...



Auch in diesem Jahr geht es weiter mit Tieren, die auf zwei Beinen stehen und deswegen rufe ich das Jahr 2013 zum Jahr des folgenden Weihnachtsfestes auf:

Weihnachten à la Wintereule!

Yap. Wintereule. 



Bitte ignoriert den Fakt, dass ich die hässlichsten Eierbecher aller Zeiten besitze. Die Eulen! Guckt auf die Eulen! Ich bin ganz verliebt in meinen neuen Weihnachtsbaumschmuck. Ich hoffe, die vertragen sich mit den Pinguinen.

Nun. Das ist aber noch längst nicht alles.

Wenn schon Weihnachten à la Wunschtier, denn schon Weihnachten à la Wunschtier!

Ihr habt heute die einmalige Chance, euch ein Tier zu wünschen.

Schreibt mir in den Kommentar, welches Tier ihr euch wünscht und mit ganz viel Glück wird dieses Weihnachten noch ein zweites Tier das Licht der Welt auf unseren Weihnachtskugeln erblicken. Das wird dann natürlich gepostet. Und wenn ich mich ganz besonders weihnachtlich fühle, würde ich euch sogar eine Original Wunschtierkugel zuschicken!

(Diese einmalige Chance hat übrigens natürlich fast garnichts damit zu tun, dass mir keine Tiere mehr einfallen.)

Beim nächsten Mal dann brav wieder ein Challenge Post. Mein November-Buch war übrigens Vicky Angel. 




Samstag, 23. November 2013

Berlin is CATCHING FIRE - die besten Film-Szenen

Alle, die sich weniger für Stars in Berlin und mehr für die Verfilmung interessieren, scrollen am Besten gleich bis zur ersten Überschrift weiter.

Ich arbeite in Friedrichshain und wohne in Friedenau. Wer sich in Berlin ein bisschen auskennt, der wird messerscharf darauf schließen, dass ich  für meinen Arbeitsweg jeden Tag durch Berlin Mitte fahre. Um euch noch eine etwas genauere Vorstellung zu geben: ich fahre auf meinem Arbeitsweg - den ich täglich, 13 km hin, 13 km zurück, mit dem Fahrrad zurücklege - jeden Tag am Potsdamer Platz vorbei.

Der Potsdamer Platz, das werden auch Leute wissen, die sich in Berlin nicht auskennen, ist der PLACE TO BE um Stars zu treffen... zumindest wenn man 14 Jahre alt ist, kein Problem damit hat, stundenlang mit 100 anderen kreischenden Teenies in einer Schlange zu stehen und fast von der drängelnden Menge zu Hackfleisch verarbeitet zu werden, sobald sich tatsächlich ein Fitzelchen Prominenz irgendwo zeigt.

Ich habe das schon öfter miterlebt. Vor einigen Wochen war ich Mittags mit einer Freundin im Vapiano am Potsdamer Platz verabredet. Das Restaurant liegt ziemlich direkt neben dem Ritz Carlton, der Lieblings-Bleibe internationaler High Society, die sich in unser bescheidenes Städtchen verirren. Schon auf dem Weg dorthin hatte ich 10 Minuten Verzögerung, weil plötzlich eine Horde von Polizeimotorrädern die Straße flutete, alle grünen Ampeln blockierte und die Straße sperrte für den nachfolgenden Tross an schwarzen Limousinen, der mit verdunkelten Fenstern Richtung Potsdamer Platz unterwegs war. Ich vermutete ranghohe Poilitiker im Inhalt der Limousinen und beschäftigte mich nicht weiter damit. Nach dem Essen wollte ich zu meinem Fahrrad, dass ich kurz vorm Sony Center abgeschlossen hatte - und sah mich plötzlich einem Auflauf aufgeregter Teenager gegenüber, der sich während meiner Mittagspause zwischen mir und meinem Fahrrad manifestiert hatte. Sie alle starrten mit großen Augen auf die Tür des Ritz Carlton. Ich wollte  mich gerade erkundigen, wer denn da so sehnsüchtig erwartet wurde, als sich folgende Szene abspielte:

Ein junges Mädchen, vielleicht 12 Jahre alt, stemmte sich aus der ersten Reihe gegen die Menge und sagte, als sie ihre Mutter weiter hinten erreichte: "Du Mama, ich glaube wir können wieder gehen, Lady Gaga kommt wohl erst heute Abend um 6 wieder raus." Die Mutter wollte gerade antworten, als der vollkommen aufgelöste Vater angerannt kam und fassungslos keuchte "Was machst du denn da? Warum gibst du unseren Platz auf??" Ungemein vernünftig, wie ich fand, antwortete das Mädchen darauf, dass es ja keinen Sinn mache, 5 Stunden lang vor dem Hotel auf Lady Gaga zu warten. "Die kommt bestimmt eh nur raus und steigt wieder ins Auto." Diese Argumentation erschloss sich dem Vater durchaus als nicht so sinnvoll wie sie mir vorkam und er brachte nur ein entmutigtes "Aber wir waren in der ersten Reihe!" heraus.

Ich nun, meinerseits vollkommen unbeeindruckt von dieser hohen Prominzenz - ich würde Lady Gaga garnicht erkennen - konnte das Familiendrama leider nicht weiter beobachten, da ich mich zu meinem Fahrrad durchkämpfen musste. "So eine Hysterie, nur wegen einem kurzen Blick auf einen Star!" dachte ich noch überheblich - nur um mich im gleichen Moment vor einem großen Banner wiederzufinden, das die Premiere von THE HUNGER GAMES - CATCHING FIRE im Sony Center Berlin am 12.11.2013 ankündigte. MIT ALLEN STARS!! Ich bin ja wirklich nicht leicht zu beeindrucken, aber meine persönliche Lieblings-Oscar Gewinnerin Jennifer Lawrence hätte ich doch gern mal aus der Nähe gesehen. Es dauerte keine Sekunde und mein Gehirn hatte sich in das eines Teenagers verwandelt. Ich Ich wollte unbedingt Karten haben. Keine Chance natürlich, die Dinger waren natürlich innerhalb von 2 Minuten ausverkauft. 

Ich war zwar kurz enttäuscht, vergaß die ganze Sache aber dann so schnell und so effektiv wieder, dass mir tatsächlich folgendes passiert ist: Am 12.11., pünktlich zu Premierenbeginn, fahre ich nach Feierabend direkt am Sonycenter vorbei. Es ist knallvoll, überall stehen Kinder mit Schildern - und ich ich IDIOT fahre einfach weiter. An die Premiere und meine ursprüngliche Aufregung habe ich mich erst wieder erinnert, als ich ein paar Tage später folgende Aufnahmen sah:



Schade. Aber es war ja offensichtlich sowieso kein Durchkommen, wahrscheinlich hatten sich auch irgendwelche Väter mit ihren Kindern schon Morgens um 6 strategisch in der ersten Reihe positioniert. Um mich für mein eigenes Versäumnis zu entschädigen, besorgte ich uns dafür direkt Karten für den ersten Spieltag und deswegen saßen wir dann am Donnerstag um 19 Uhr endlich glücklich und zufrieden und für den unschlagbar günstigen regulären Preis von 11,50 € PRO KARTE (Hab ich nicht mal irgendwann 5 Mark für eine Kinokarte bezahlt? Ich bin doch noch gar nicht so alt!) und OHNE POPCORN (die kleinste Portion kostet 5 € - HALLO?!) in ebendiesem Sony Center Cinestar. Das ist leider, trotz der crazy Preise, unser Lieblingskino, da fast alle Filme ohne Untertitel in der Originalfassung laufen.

Catching Fire - Der beste Film des Jahres

Was soll ich sagen, Kinder? Der Film ist unglaublich gut! Ich hatte ja schon am ersten Teil wenig auszusetzen, wobei mein Freund, der damals die Bücher noch nicht kannte, viel nicht verstanden hat. Aber Catching Fire ist von der ersten bis zur letzten Sekunde - und wegen des grandiosen Soundtracks noch bis lange nach dem Abspann - der definitiv beste Film, den ich diese Jahr gesehen habe. Ich habe mit Absicht das Buch nicht noch einmal gelesen bevor wir ins Kino gegangen sind und deswegen ist mir nicht klar, welche Szenen geändert oder weggelassen wurden - vom Gefühl her sind aber aber sehr wenige. Meine Lieblings-Szenen waren jedenfalls im Film die gleichen wie im Buch und so großartig umgesetzt, dass ich Rotz und Wasser geheult und am ganzen Körper Gänsehaut hatte.

Die besten Film-Szenen
  • der Moment als Katniss und Peeta auf ihrer Sieger Tour den Familien von Thresh und Rue gegenüberstehen und Peeta die Karte mit der vorgeschriebenen Rede sinken lässt
  • der alte Mann, der danach die Finger zum Gruß hebt und Rues Melodie pfeift
  • President Snow, dieses kleine Kopfschütteln in Katniss Richtung, während sie auf dem Empfang in Panem sind
  • Prim, die ihrer Mutter ruhig die Spritze aus den Fingern nimmt um mit ruhiger Hand Gale die Betäubung zu spritzen
  • Effie und Katniss, die sich in die Augen schauen, während Effie die einzige Karte aus der Glaskugel der Zeihung vorliest
  • die Einfahrt in die Arena, die unnachgiebige, stolze Position von Katniss und Peeta, die flammenden Kleider, The Girl on Fire!
  • Katniss, die während der Bewertung das Bild von Rue betrachtet, das Peeta auf den Boden gemalt hat
  • Katniss, die von President Snow gezwungen wird auf der Bühne ein Hochzeitskleid zu tragen, sich beginnt, darin zu drehen und plötzlich als Mockingjay dasteht. (Die Szene hat mir schon im Trailer Gänsehaut gemacht) Die nachfolgende Stille im Publikum.
  • die Tribute, die sich während der Life-Übertragung vor ganz Panem auf der Bühne an den Händen fassen und auch noch nach der hektischen Verdunkelung als geschlossene Einheit erkennbar sind
  • die Szene, als Johanna sich im Fahrstuhl von Peeta das Kleid ausziehen lässt und dann nackt dasteht - Katniss` Gesichtsausdruck, der in diese ganze Katastrophenstimmung wieder einen Hauch Leichtigkeit bringt
  • die Szene - oh Gott - als Mags freiwillig in den Giftnebel läuft, um die anderen zu retten
  • Katniss, als sie in der Arena denkt, Peeta ist tot 
  • und die letzten Minuten
  • die letzten Sekunden
  • die letzte Sekunde
  • Rache.
Ich beneide diejenigen von euch, die den Film noch vor sich haben, ich würde ihn am Liebsten gleich nochmal sehen. Hier noch ein fantastischer Trailer. Viel Spaß.



und der wunderschöne Titelsong: Atlas von Coldplay:

Sonntag, 10. November 2013

Angst vor der letzten Seite...

Es war ja nicht so, als hätte ich die letzte Seite nicht kommen sehen - ich wollte sie nur nicht wahrhaben. Ach Lyra, Lyra, wir werden uns wohl nie wiedersehen. Das Leben mit Büchern ist ungerecht.

Es gibt Bücher, die haben 300 Seiten, eine riesige Schrift, tarnen sich erst als "Schnell-mal-zwischendurch-Literatur" und wollen. dann. einfach. nicht. enden. Diese Bücher schaffen es in der Regel, mich nachhaltig zu frustrieren und wenn sie nicht gerade mit einer Challenge zusammenhängen, komme ich dann nicht mal über die ersten 100 Seiten hinaus.
(So passiert zum Beispiel hier und hier).

Und dann gibt es Bücher mit tausend Seiten und mehr, gefühlte zwei Kilo schwer, die Schrift kaum noch lesbar... und trotzdem ist die letzte Seite viel zu schnell erreicht!

So ein  Buch ist "His Dark Materials" (auf Deutsch die "Goldene Kompass"-Trilogie), von Philip Pullman. Zwei komplette Wochenenden und unzählige Abendstunden habe ich in der Welt von Lyra Silvertongue verbracht. So viel Zeit habe ich schon lange nicht mehr in ein Buch gesteckt. (Konzentrierte Lese-Zeit, wohlgemerkt, nicht diese "Mist, schon wieder nicht aufgepasst, ich muss die letzten zwei Seiten nochmal lesen"-Zeit, die mir zum Beispiel The Magic Faraway Tree ständig beschert hat.) Nachdem einigen Anlaufschwierigkeiten im ersten Teil konnte ich es plötzlich nicht mehr aus der Hand legen. Und dann? War es zu Ende. Der Albtraum jeden Buchliebhabers. 

Zur Story:

Die Trilogie besteht aus drei Büchern und ist eigentlich bei weitem zu komplex, um sie in einer kurzen Zusammenfassung zu beschreiben und vor allem ohne zu spoilern. Ich werde es daher hier sehr oberflächlich halten. His Dark Materials besteht aus:
  1. Northern Lights (Der goldene Kompass, 1995)
  2. The Subtle Knife (Das magische Messer, 1997)
  3. The Amber Spyglass (Das Bernstein-Teleskop, 2000)
Lyra Belaqua, später Lyra Silvertongue, wächst in einer Parralelwelt auf, die der unseren zwar sehr ähnlich ist, die aber von einer sehr strengen kirchlichen Institution überwacht wird. In ihrer Welt hat jeder Mensch einen "Dæmon", der so etwas ist, wie in unserer Welt die Seele, der aber in Lyras Welt die Form eines Tieres hat und den Menschen immer begleitet. Aufgezogen wurde Lyra im Jordan College (in unserer Welt die Oxford Universität), da sie keine Eltern mehr hat. So geschieht es, dass Lyra zwar über keine vernünftige Schulbildung verfügt, jedoch viele Dinge erfährt, die weit über ihr Alter hinausgehen. So kommt sie zum Beispiel mit der Forschung nach "kosmischem Staub" in Berührung, vor dem die Kirche große Angst zu haben scheint, den Lyra aber sehr spannend findet. Im weiteren Verlauf der Geschichte bereist sie, um mehr darüber herauszufinden wie dieser "Dust" auf den Menschen wirkt, erst ihre Welt, dann unsere und schließlich mehrere Parrallelwelten.

Auf dieser Reise lernt sie viele neue Freunde kennen, darunter fantastische Wesen wie Panzerbären, Hexen und Engel, sie macht sich aber auch eine Menge Feinde, allen voran die Kirche, die mit allen Mitteln versucht, Lyra von ihren Forschungen abzuhalten. Als Vertreterin der Kirche fungiert die überaus charmante Mrs. Coulter, die Lyra zunächst außerordentlich bewundert, der sie aber schnell, nicht zuletzt aufgrund von Mrs. Coulters heimtückischem Affen-Dæmon, zu misstrauen beginnt. Gleichzeitig verschwinden überall um Lyra herum Kinder, auch ihr bester Freund Roger wird gefangen. Und ein böses Gerücht macht die Runde - die Kinder werden für Experimente missbraucht, bei denen sie von ihrem Dæmon getrennt werden.



Der Trailer zum Film gibt eine ganz gute Übersicht zum ersten Buch, von dem aber die letzten Szenen wohl weggelassen wurden, um sie im zweiten Film einzufügen. Mit der Finanzkrise wurde dann aber die Produktion stillgelegt und die Folgeteile wurden nie produziert. (Zumindest ist das die offizielle Begründung, meiner Meinung nach kommt der Film an das Buch einfach nicht mal ansatzweise heran und ist deshalb gefloppt.)

Meine Meinung:

Von der 2007er Verfilmung "Der goldene Kompass" ist mir außer den sprechenden Bären und einer auf 20er Jahre gestylten Nicole Kidman mit ihrem bösen Affen irgendwie nicht viel Erinnerung geblieben. Deswegen hatte ich auch nicht viel vom Buch erwartet und habe mich auf eine eher kindliche Geschichte à la Narnia eingestellt. Und da sich der Film nah am Buch orientiert - ohne allerdings auch nur annähernd dessen atmosphärische Dichte einfangen zu können - hatte ich einige Schwierigkeiten mit dem ersten Buch warm zu werden. 

Lyra war für mich am Anfang ein schwer einschätzbarer Charakter, der sich eben wie ein normales Kind verhält, mit der Ausnahme, dass sie ein bisschen viel lügt. Nach und nach wird aber klar, dass Lyra nicht nur pfiffig, sondern auch verdammt mutig ist und ein sehr, sehr großes Herz hat. Von ihr lebt die Geschichte, von ihrem Mut und ihrem Durchhaltevermögen, auch wenn sie zwischendurch fast unter der Last zusammenbricht, Lyra geht immer weiter. Und dem Leser unter die Haut.
"Oh, Pan, dear, I can't go on! I'm so frightened - and so tired - all this way, and I'm scared to death! I wish it was someone else instead of me, I do honestly!"

Die Geschichte verliert ihre Ähnlichkeit mit Narnia schon auf den ersten Seiten und ich würde auch sagen, dass sie generell schnell aufhört, ein Kinderbuch zu sein. Denn obwohl sprechende Bären vorkommen und die Hauptrolle von einem Kind gespielt wird, sind die Themen mit denen sich das Buch beschäftigt derart vielschichtig, dass ich ernsthaft bezweifle, als Kind hier die Übersicht behalten zu haben. Dass es aber als Kinderbuch angelegt ist, glaube ich schon, da viele Konflikte dann doch sehr simpel gelöst werden, zum Beispiel die Szene mit dem König der Panzerbären. Tatsächlich hat Pullman die Trilogie übrigens sogar bewusst als Gegensatz zu den Chroniken von Narnia und deren sehr gottesorientierter Haltung verfasst. Auch dieses Buch hat einen sehr religiösen Grundton,  ist aber das genaue Gegenteil zu Narnia, indem es sich definitiv gegen die Kirche und später deutlich auch gegen Gott persönlich richtet. Die Bücher wurden daher von der katholischen Kirche scharf kritisiert und zum Start des Films rief sie sogar zu einem Boykott auf.

Generell ist die Geschichte aber eher darauf ausgelegt, Autoritäten jeder Richtung zu misstrauen und immer wieder nachzufragen, was ja nie schaden kann. Die Figuren, gerade die der "Autoritäten" sind sehr komplex, genauso wie ihre Beziehungen zueinander und am spannendsten wird es immer dann, wenn die wunderschöne jedoch eiskalt berechnende Mrs. Coulter auftaucht. Pullmans Figuren sind selten vollkommen gut oder vollkommen schlecht, aber Mrs. Coulter vereint das abgrundtief Böse auf eine derart schmerzliche Weise mit dem Guten, dass es mir immer wieder den Magen umgedreht hat.



Die Bücher werden, was selten passiert, mit jeder Fortsetzung besser. Wo sich der Autor im ersten Buch wohl erst noch einfinden musste, grenzt der dritte Band an Genialität. Pullman sprüht vor Fantasie und beginnt ab dem zweiten Teil Szenen einzuflechten, die mich vor lauter gespannter Nervösität nach und nach alle Fingernägel der linken Hand gekostet haben. (Mit der Rechten musste ich dankenswerterweise das Buch umblättern.) Und so ab Seite 1000 habe ich begonnen, Angst vor dem Ende zu bekommen. Denn ich wollte einfach nicht, dass die Geschichte aufhört. Doch aufhören tut sie und zwar mit einem Knall. Dieses Ende hätte ich als Jugendliche mit Sicherheit gehasst wie die Pest, heute fand ich es dagegen ziemlich genial abgerundet und sehr zum Autor passend. 

"His Dark Materials" behandelt so viele wichtige und erwähnenswerte Themen - Mut, Freundschaft, Liebe, Leidenschaft, Manipulation, Verführung, Wissensdurst, Neugier, Unterdrückung, Autorität, Kirche, Religion, Atheismus, Forschung, Tod... - und der Autor erschafft so viele grandiose Metaphern und neue Blickpunkte auf uralte Themen, dass es Wert wäre, sie alle zu besprechen. Da hab ich aber weder Zeit noch Platz zu, also bleibt mir nur, dieses Buch aus vollem Herzen jedem zu empfehlen, der nicht gerade mit dem Gedanken spielt, ins Kloster einzutreten. Dann ist es eventuell nicht die beste Idee.

Fazit:

Nach einem langsamen und etwas anstrengend kindlichen Einstieg wird die Geschichte sehr schnell zu einem rasanten, komplexen Meisterwerk. Gegen Ende ziehen sich einige Szenen ein bisschen mehr als notwendig in die Länge, aber nie so, dass man das Buch einfach aus der Hand legen könnte. Denn eine Flut von großartigen Ideen, erstaunlichen Metaphern, erinnerungswürdigen Charakteren und mitreißenden Handlungssträngen macht es dem Leser schwer, aus der Geschichte so schnell wieder aufzutauchen. Die dichte Atmosphäre des Buches hat mich irgendwann überallhin begleitet, ob zum Sport oder beim Kochen, ich war im Kopf immer bei Lyra und Will. Absolute Empfehlung!

Samstag, 2. November 2013

The Horror after Halloween

Eine Woche lang sagte ich jeden Tag den gleichen Satz zu meinem Freund: "Du wir müssen unbedingt dran denken, dass wir für Donnerstag noch Süßigkeiten kaufen!" 

Letztes Jahr am 31.10. nämlich, es war der Tag nach dem Einzug in unserer neuen Wohnung und ich frisch aus Holland wieder in Deutschland angekommen, klingelte es gegen frühen Abend an der Tür. Nichtsahnend war ich dumm genug, sie zu öffnen, nur um mich in einer Horde kleiner Hexen und Gespenster wiederzufinden, die, lauthals "Süßes oder Saures!" kreischend, anscheinend während meiner Abwesenheit den Halloween-Brauch in Deutschland eingeführt hatten. (Vielleicht lag es auch daran, dass ich auf dem Land groß geworden bin, aber bei uns gab es das damals garantiert nicht nicht!) Ich konnte mich damals mit einer großen Packung Cola-Schnüre aus der Affäre retten, die ich glücklicherweise noch aus Holland mitgebracht hatte. Peinlich war's trotzdem. 

Wobei... wenn ich mich hiermit vergleiche, haben meine Cola-Schnüre wahrscheinlich eine  Auszeichnung verdient! (Gefunden bei Schlecky Silberstein und "Horror-Meldung des Tages")
Um nicht noch einmal ein rohes Ei an meiner Tür zu riskieren (in Berlin soll auch Zahnpasta an den Briefkästen sehr beliebt sein), plante ich also dieses Jahr schon großzügig eine Woche vorher ein, Süßigkeiten zu kaufen - und vergaß es prompt. 

Come Halloween Eve, 5:30 pm. Draußen schon gefühlte halb 10, da durch Zeitumstellung zappenduster, mein Freund und ich sitzen einträchtig nebeneinander am Tisch und starren romantisch jeder auf einen Computerbildschirm, als im Hausflur ein Riesengetrappel losgeht. Kurz gebe ich mich noch der Illusion hin, dass ein Kindergeburtstag gefeiert wird, bevor es schon in der ersten Etage klingelt und "Süßes oder Saures!" aus mindestens fünf aufgeregten kleinen Kinderkehlen gekreischt wird. Wir schrecken hoch und starren uns panisch an. 

WIR HABEN VERGESSEN, DIE VERDAMMTEN SÜßIGKEITEN ZU KAUFEN!!

Was es bedeutet, wenn Kinder ihre Halloween Süßigkeiten nicht bekommen, wissen wir ja nun spätestens seit Jimmy Kimmel.



Während der Mann des Hauses also, ganz wie es seiner Rolle gebührt, hektisch in der Wohnung herumrennt und alle Lichter ausknipst (man kommt sich dabei schon ein bisschen vor wie ein Verbrecher), schnappe ich mir Schlüssel und Geld und renne wie der Teufel. Zum nächsten Rewe. 

Zwei Tüten Maoam Mix und eine Tüte Nimm 2 später sehe ich mich einer Kassenschlange gegenüber, die meinen Freund noch zu mindestens weiteren 15 Minuten im Dunkeln verdammt. Ich ziehe die letzten Register: "Entschuldigen Sie, würden Sie mich vielleicht vorlassen? DIE STEHEN SCHON BEI UNS VOR DER TÜR!" Wahrscheinlich sind es weniger die Worte als vielmehr mein Tonfall, der die Leute schnell zur Seite springen lässt. Eventuell auch die Panik in meinen Augen und die Schweißperlen auf der Stirn. 

Vollkommen durchgeschwitzt komme ich zuhause an, drapiere Bonbons und Maoam in einem kleinen Koffer und schalte, diesmal voller Stolz und mit viel Zeremoniell alle Lichter wieder an. Sollen sie alle kommen!

Ich gebe zu, die Optik ist eher Oktoberfest als Halloween, aber wir wollen's ma nicht übertreiben, ne?
UND WATT IS? Das Foto ist von heute, ihr könnt es euch also denken.

EINMAL hat es noch geklingelt. Alle anderen Kinder waren wohl vorgewarnt, oder der Brauch hatte sich doch noch nicht so verbreitet wie ich gedacht hatte. Naja. Ich schaffte es, diese erfolglose Nacht ohne ein Halloween Trauma zu überstehen.

Das Halloween Trauma kam später.


Ladies and Gentleman, Mila Cooking Productions presents:

THE HORROR AFTER HALLOWEEN.

Wie die Geschichte begann ist hier nachzulesen. Jedenfalls kam ich mit diesem Kürbis nach Hause, der geneigte Leser erinnert sich.


So geschätzte 12 Kilo also, den kann man ja nicht einfach wegschmeißen, wenn die Kürbis-Dekorationszeit vorbei ist. Bei Mila Cooking Productions entsteht eine grandiose Idee: Kürbisbrötchen! Das in der Geschichte der Firma nie vorher mit Hefe gearbeitet wurde, wird bei Mila Cooking Productions nicht als Problem erkannt.

"Lassen sie den Teig in einer warmen Ecke eine Stunde ziehen, er geht dann noch auf." Die Vorstandsvorsitzende der Mila Cooking Productions nimmt dies als Hinweis, den genau 50 Minuten dauernden Zumba-Kurs wahrzunehmen, der im 5 Minuten entfernten Fitnessstudio stattfindet. Genau eine Stunde Zeit also. Glücklicherweise ist eine große Schale vorhanden, in der der Kürbisbrötchen-Teig gemütlich vor sich hin "gehen" kann.

Eine Stunde später.

Glücklich und ausgepowert kommt die Vorstandsvorsitzende der Mila Cooking Productions ins Firmengebäude. Schon beim Aufsperren der Tür breitet sich allerdings eine dunkle Vorahnung in ihr aus. Es liegt eine ominöse Stille über der Szenerie, fast als ob sich etwas darauf vorbereitet, anzugreifen.

Leise schleicht sich unsere Zumba-Tänzerin zur Küchentür, reisst sie mit einem Knall auf und

WAAAAAAAAAAAAAAAH!!!!!


Das Grauen hat einen neuen Namen.
Und es wächst.
Und wächst.
Und wächst.

Voller Trauer und Angst muss ich verkünden, dass der Kürbisbrötchenteig entkommen konnte. Die Vorstandsvorsitzende der Mila Cooking Productions hat sich mutig in den Kampf geschmissen, aber sie konnte ihn nicht besiegen.

Was habe ich da nur erschaffen?

Womöglich werden schon nächstes Jahr Kürbisse durch Berlins Straßen ziehen, auf der Suche nach Menschenköpfen, die sie aushöhlen und als Laterne in ihre Vorgärten stellen können. Nichts und niemand ist dabei vor dem Kürbisbrötchenteig sicher, denn er presst sich auch durch die kleinsten Ritzen, durch Dielenböden und sogar durch verriegelte Waschmaschinentüren. Dort lauert er auf seine Gelegenheit. SEID WACHSAM!

Es bleibt mir nur noch zu verkünden, dass die Vorgesetzte der Mila Cooking Productions zurückgetreten ist. Den Rest ihres Lebens wird sie mit der Suche nach einem Gegenmittel verbringen.



Montag, 21. Oktober 2013

"am Grab stand eine Frau in weiß..." etwas Mystery aus dem 19. Jahrhundert gefällig?

"When a sensible woman has a serious question put to her, and evades it by a flippant asnwer, it is a sure sign, in ninety-nine cases out of a hundred, that she has something to conceal."

Ich hatte schon Angst, dass ich dieses Jahr meine eigene Challenge verliere, weil ich im frühen Oktober mit gerade einmal acht von 12 zu lesenden Büchern punkten konnte. Und nachdem mich die letzten beiden Bücher die ich für die Challenge gelesen hatte (Alice im Wunderland und The magic Faraway Tree) so garnicht begeistern konnten, war ich etwas vorsichtig im Bezug auf die "Best-loved Novels". Stattdessen wäre ich um ein Haar zum wiederholten Male meiner Schnulzenschwäche erlegen.

Glücklicherweise fügte es sich, dass ich auf einer ewig langen Zugfahrt nur "Gut gegen Nordwind" eingepackt hatte, welches man ja nun wirklich mal eben innerhalb von 2 Stündchen so weglesen kann. Und da ich nun kein Buch aber noch einige Stunden Zug vor mir hatte, riskierte ich einen Blick in meine Kindle App, die zufällig, ganz passend zur Mila'schen Schmonzetten-Stimmung, auch mit "The woman in white" (1860) bestückt war. (Im Amazon Shop lassen sich viele der Bücher auf der Liste kostenlos herunterladen, wusstet ihr das?). Und mit dieser ziemlich typisch englischen Mystery-Geschichte hab ich jetzt auch endlich mal wieder einen Treffer gelandet.

Zur Story:

Der Kunstlehrer Walter Hartright bekommt den Auftrag, auf dem Landanwesen Limmeridge House die beiden Halbschwestern Marian und Laura zu unterrichten. Auf seinem Weg dorthin hat er allerdings eine seltsame Begegnung mit einer vollkommen in weiß gekleideten jungen Frau, die scheinbar aus dem Nichts auf der Landstraße auftaucht. Die offensichtlich verängstigte Frau fasst Vertrauen zu ihm, als sie sein Reiseziel erfährt - scheinbar hat sie in Limmeridge House einen Teil ihrer Kindheit verbracht und liebevolle Erinnerungen an die Familie dort. Kurz bevor sie ihn verlässt, fragt sie ihn nach seiner Bekanntheit mit einem gewissen Lord Percival Glyde, den sie offensichtlich gleichzeitig hasst und fürchtet, von dem er aber noch nie etwas gehört hat. Kurz nach dieser Begegnung erfährt Hartright, dass seine weiß gekleidete Zufallsbekanntschaft einige Zeit zuvor aus einer Irrenanstalt ausgebrochen und seitdem auf der Flucht ist.

Am Ziel seiner Reise angekommen, dauert es nicht lange und Hartright verliebt sich unsterblich in Laura, die jüngere der beiden Schwestern. Da in diesem Fall nicht  nur der große Standesunterschied der beiden ein Problem ist, sondern Laura auch seit Jahren schon einem anderen Mann versprochen ist, wird der Zeichenlehrer aus dem Haus gewiesen. Kurz vor seiner Abreise erfährt er jedoch den Namen des Verlobten seiner Angebeteten: Laura wird Sir Percival Glyde heiraten, den Mann vor dem die "Frau in weiß" so panische Angst hatte. Und nicht nur das - je mehr Walter darüber nachdenkt, desto klarer wird ihm außerdem, dass seine nächtliche Zufallsbekanntschaft und seine angebetete Laura sich verblüffend ähnlich sehen...

Meine Meinung:

Ich würde sagen, wer "Rebecca" mochte, der wird auch Spaß an "The Woman in white" haben. Mit seinen Romantik-, Mystery- und Krimi-Elementen ist Wilkie Collins Roman eine runde Mischung und lässt sich, trotz seiner knapp 600 Seiten flüssig lesen. Während in der ersten Hälfte des Buches die Spannung wirklich auch konstant auf einem sehr hohen Niveau ist, gibt es im hinteren Teil allerdings meiner Meinung nach einige Längen. Außerdem hatte ich so meine Probleme nachzuvollziehen, warum Walther Hartright sich denn da nun so unsterblich in Laura verliebt hat, die neben ihrer immer wieder erwähnten "milden Natur" dem Leser nicht wirklich viel zu bieten hat. Allerdings sind wir hier ja erstens im viktorianischen Zeitalter unterwegs, wo Frauen sich gefälligst sowieso im Hintergrund zu halten haben und außerdem bildet die Liebesgeschichte zwischen den beiden auch eher den Rahmen für die Story, in der Walters detektivische Ermittlungen noch überraschend tiefschürfende Erkenntnisse bringen werden.

Die Story lebt von ihren faszinierenden Nebencharakteren: Auftritt Marian und Count Fosco

Die Geschichte ist wirklich gut gestrickt, denn entgegen meiner Erwartung hat mich die Auflösung am Ende nicht enttäuscht (ich war mir zur Mitte des Buches hin ziemlich sicher, dass ich die ganze Story schon erraten habe und war schon mal vorsorglich enttäuscht von meiner angenommenen Einfachheit des Ausgangs. Ich hatte mich dann aber doch getäuscht und es kamen noch ein paar nette Wendungen und Plot Twists). Was das Buch jedoch für mich so fesselnd macht, ist weder sein Verlauf, noch sind es die vordergründigen Hauptfiguren, denn weder Walther noch Laura, noch Lauras undurchsichtiger Verlobter sind besonders komplex. Stattdessen haben mich die Nebenfiguren, nämlich Lauras Schwester Marian und der etwas später in der Geschichte auftauchende Count Fosco schwer fasziniert. Und natürlich die "Woman in White", aber über die verliere ich lieber nicht zu viele Worte, es soll ja schön mysteriös bleiben.

Mit Count Fosco hat Wilkie Collins einen Charakter geschaffen, den der Leser nicht mehr so schnell aus dem Kopf kriegt. Höflich, liebenswürdig und allem Anschein nach die gefährlichste Person im Buch - wenn Count Fosco erscheint, dann sind sogar die unberechenbarsten, wutschäumenden Hunde nichts als zahme Haustiere. Dieser Charakter ist so vielschichtig, dass auch nach der letzten Seite bei weitem nicht alle Geheimnisse um ihn geklärt sind. Marian dagegen ist eine ganz andere Geschichte, auf ihre Art aber nicht weniger erinnerungswürdig.

"The lady is dark. The lady is young. The lady is UGLY!"

Mit dieser (gekürzten) Einleitung wird uns Lauras Schwester charmanterweise von Walter Hartright vorgestellt. Marian, bei all ihrer Offenheit, ihrer Herzlichkeit und Intelligenz, fehlt es in ihrer Ausstrahlung an der "Geschmeidigkeit und Sanftmut" ohne die "the beauty of the handsomest woman alive is beauty incomplete." Diese Zeilen sagen ja schon eine Menge über das Frauenbild zur damaligen Zeit aus und im Laufe des Buches wird dieses Frauenbild auch immer wieder von Marian selbst unterstützt. Zwar ist sie der pfiffigste Charakter von allen, relativiert das aber immer wieder, indem sie Sätze sagt, in denen "Ich bin ja nur eine Frau" vorkommt. 
"You see I don't think much of my own sex, Mr. Hartright. No woman does think much of her own sex, although few of them confess it as freely as I do."
Das ist schon ein ziemlich krasses Statement dafür, dass das Buch von einem Mann geschrieben wurde, der ihr diese Sätze in den Mund legt. Alles in allem wäre es dem Charakter nach für mich wesentlich nachvollziehbarer, wenn sich Walter Hartright in Marian statt in ihre liebliche aber für den Handlungsverlauf eher nutzlose Schwester Laura verliebt hätte. Da Marian aber nicht nur mittellos, sondern ausdrücklich auch vom Hals aufwärts grottenhässlich ist - ihr Körper ist der Beschreibung nach wohl ziemlich bombastisch, aber das wiegt ihren "Schnurrbart" ("the dark down on her upper lip was almost a moustache") wohl nur unzureichend wieder auf - wird automatisch davon ausgegangen, dass sie für den Rest ihres Lebens eine alte Jungfer bleiben wird. Das Marian selbst mit diesem Leben aber vollkommen zufrieden sein soll und das einzige was im Leben zählt für sie das Wohl ihrer hübschen Schwester ist, die sie ja so heiß und innig liebt - das nehme ich dem Autor nicht so ganz ab. Ist aber auch Wurscht, das Buch bietet genug Geheimnisse und Verstrickungen, subtilen Grusel und Stress-Momente um auch den heutigen Leser bei Laune zu halten. 

Fazit:

Runde Geschichte aus der viktorianischen Epoche, die auch jetzt noch begeistern kann. Ein überzeugnender Plot mit einigen psychologisch auffälligen Charakteren, die in Erinnerung bleiben und gut gestrickten Wendungen. Dunkle und dichte Atmosphäre und Geheimnisse, die sich auch nach dem Lesen nicht ganz auflösen - so wie sich das für eine Mystery Geschichte gehört! Zur zweiten Hälfte wird es ab und zu etwas langatmig, vor allem die Stelle in der Lauras unsäglicher Onkel seinen Teil zur Erzählung beiträgt, die hätte ich vor lauter Ungeduld fast übersprungen und es reicht wirklich, sie zu überfliegen. Ansonsten aber defintiv empfehlenswert. Genau das richtige für einen stürmischen Herbstabend im Kerzenlicht. 


Ps: Das Buch wurde 1948 verfilmt, wobei der Regisseur wohl nicht nur das Ende geändert, sondern laut dieser ziemlich guten Filmbesprechung den Fakt, dass Marian hässlich sein soll, auch als unwichtig abgetan und einfach ignoriert hat. Gut zu wissen, denn ich hatte mich beim Bilder googlen doch auch schon sehr gewundert, Alexis Smith in der Rolle zu finden. 

The woman in white, 1948, Verfilmung mit Alexis Smith


Mittwoch, 9. Oktober 2013

Was tun, wenn man für ein Buch einfach zu alt ist?

Enyd Blyton, Heldin meiner Kindheit. Unter den über 750 Büchern, die die Dame Zeit ihres Lebens geschrieben hat, waren auch zwei meiner absoluten Lieblingsreihen: Hanni und Nanni und die Dolly-Bücher. Mädchengeschichten im Internat, kleine Streiche, große Lektionen, Friede, Freude, Eierkuchen. Schön war das. 

Ein paar dieser Bücher hatte ich vor einiger Zeit nochmal gelesen und musste feststellen, dass sie mir irgendwie wesentlich kürzer und oberflächlicher vorkamen als damals. Trotzdem habe ich mich sehr gefreut, auf der 100 Bücher-Liste ein Enid Blyton Buch zu entdecken: The Magic Faraway Tree. Kunterbuntes Cover mit großer Schrift auf nur 200 Seiten. "Das les ich dann mal, wenn ich ein Lese-Tief habe und die Challenge schnell wieder aufholen muss!" dachte ich mir damals. Pustekuchen! MONATE hab ich gebraucht, um das kleine Büchlein zu lesen. Auch wenn mir das Cover jedesmal beim Anschauen gute Laune macht, verfrachtet mich die Geschichte, sobald ich auch nur eine Seite lese, zuverlässig in den Tiefschlaf. 

ICH BIN ZU ALT! Hilfe!

Zur Story:

Bei dem Buch handelt es sich (was ich nicht wusste und grad erst bei Wikipedia erfahren habe) um den zweiten Teil einer Trilogie, in der drei Kinder einen magischen Riesenbaum in einem verzauberten Wald entdecken. In diesem Baum leben viele wunderliche Gestalten mit denen sich die Kinder anfreunden. Doch das wirklich erstaunliche an dem Baum ist seine Spitze: Erklimmt man diese, findet man sich in einem fremden Land wieder und zwar jedes mal in einem anderen, denn die Länder verschwinden nach einiger Zeit um Platz für neue Länder zu machen. 

Die Kinder müssen enorm aufpassen, dass sie nicht in einem Land steckenbleiben, denn in diesem Fall kommen sie erst wieder zurück zum Baum, wenn das jeweilige Land wieder an der Reihe  ist. Und das könnte wirklich unangenehme Folgen haben, denn manche der Länder sind gar nicht lustig; zum Beispiel das "The Land of Tempers". Wer hier seine gute Laune verliert, bleibt ewig in diesem Land gefangen. Es gibt aber auch Länder, von denen jedes Kind träumt, zum Beispiel "The Land of Goodies" in dem es lauter Süßigkeiten zum Mitnehmen gibt. Im zweiten Band ist die Geschichte - so weit ich das ohne den ersten Band gelesen zu haben, beurteilen kann - die gleiche, nur dass die drei Kinder jetzt ihren Cousin Rick mit auf den Baum nehmen.

Funny Fact:

Das Buch ist von 1943. Die vier Kinder heißen im Original Jo, Bessie, Fanny und Dick. Die ersten Beiden wurden, wahrscheinlich aus Hipstergründen, in Joe und Beth umgenannt. Und Fanny und Dick? An dieser Stelle dürft  ihr euch, unabhängig vom Alter, ein unreifes kleines Kichern gestatten. Denn aufgrund der Tatsache, dass beide Namen im Englischen mittlerweile als umgangssprachliche Synonyme gewisser Geschlechtsteile benutzt werden, heißen die armen Kinder nun Frannie und Rick. 

Meine Meinung:

Och joa. Also als Kind hätte ich das Szenario vermutlich heiß und innig geliebt! Mit viel Fantasie beschreibt Enid Blyton hier diverse Kindertraum-Länder. Es gibt zum Beispiel das Land der Geschenke, in dem sich einfach nach Herzenslust bedient werden darf und die Kinder sowohl für sich als auch für ihre Elten etwas mitnehmen dürfen. Oder das Geburtstagsland, in dem Beth den besten Geburtstag ihres Lebens feiert. Andererseits gibt es auch ziemlich verrückte Länder, so wie das Topsy-Turvy Land, wo alles auf dem Kopf steht und ein fieser Polizeimann Joe verhext, damit er auch auf dem Kopf stehen muss.

Für die heutige Mila war das Ganze aber doch etwas sehr kindlich und oberflächlich, vor allem auch weil man die Charaktere überhaupt nicht kennenlernt und  die Länder halt dauernd... naja... wechseln. Kurzum: die heutige Mila ist für dieses Buch zu alt!

Man beachte bitte, dass ich mich stur weigere, auch nur in Betracht zu ziehen, dass es vielleicht am Buch liegt. Ist ja schließlich Enid Blyton! Und ziemlich sicher würde jedes Kind zwischen sechs und - ähm - sieben (?) das Buch lieben! Ich hab hier leider grad so wenig Siebenjährige vorrätig an denen ich diese Theorie beweisen könnte. Falls ihr einen oder mehrere von der Sorte zufällig im Haus habt, probiert es doch mal aus. Sollte ich mich tatsächlich irren und es liegt nicht an meinem Alter, sondern wirklich am Buch: das tolle Cover macht sich auch ungelesen ganz hervorragend im Bücherregal.

Nun aber zur Frage in der Überschrift: Was tun, wenn man für ein Buch einfach zu alt ist?

Na, das einzig vernünftige: Benehmt euch wie anständige Erwachsene und malt die Bilder aus! 
Man bediene sich hierzu, auf Rat der Künstlerin, am Besten eines Vierfarbenstiftes. Erwachsener geht's nicht.




Edit: Na aber Hallo, da hab ich mit meiner Einschätzung gar nicht so falsch gelegen!

Nachdem ich diesen Post veröffentlicht habe, hab ich noch ein bisschen bei Wikipedia rumgelesen und herausgefunden, dass Enid Blyton eine ziemlich umstrittene Person war. Nicht nur, dass sie ihren Mann mehrfach betrogen und ihm hinterher verboten hat, seine Kinder zu sehen - besagte Kinder haben später ihre Mutter als arrogante und versnobte Person ohne mütterlichen Instinkt beschrieben. Außerdem waren Blytons Bücher in vielen Büchereien und bei der BBC jahrelang einem Bann ausgesetzt, weil sie nicht nur als mittelmäßige Literatur empfunden wurden, sondern oft auch als rassistisch, sexistisch und veraltet. Da hatte ich jetzt wirklich nicht mit gerechnet. Besonders geschockt war ich allerdings davon, dass die Hanni und Nanni Bücher (die im Englischen übrigens "St. Clare`s" heißen und das Leben der Zwillinge Patricia und Isabell Sullivan beschreiben!) im Nachhinein auch noch abgeändert wurden. In früheren Versionen wurden die Mädchen in der Schule nämlich noch geschlagen. Lest euch mal den Wikipedia-Artikel durch, der ist ziemlich spannend.

Montag, 23. September 2013

Dieses Kind hat mehr Glück als Verstand... und Kürbisse.

Ich weiß, es spricht die pure Artikulationsfähigkeit aus meiner Überschrift!

... aber beginnen wir mit den Kürbissen. Diesen hier:




Ich hab da mal ein bisschen den Herbst hereingelassen.

(Auf dem unteren Foto sieht man übrigens zusätzlich einen Venedig Schnappschuss meines Weltenbummler-Liebsten und im Rahmen eines meiner absoluten Lieblingsgedichte. Es stammt von Alexander McCall Smith, der mal über Edinburgh folgendes geschrieben hat:

"This is a city of shifting light
of changing skies
of sudden vistas.
So beautiful it breaks the heart
again and again."

Mit diesem Gedicht kann man übrigens auch den Rest der Highlands beschreiben, der einfach atemberaubend schön ist. Aber dazu ein andernmal mehr.)

Und das habt ihr euch bestimmt auch garnicht gefragt. "Wo hat die diese megacoolen, riesigen Kürbisse her?" werdet ihr euch gefragt haben. Tja, Erntezeit Kinder, ich sach's doch! Und rein zufällig ist der Nachbar von meiner Oma ein Gartengenie. Da wächst alles! (MELONEN UND PHYSALIS FRÜCHTE IN NORDRHEIN-WESTFALEN!! Ich konnt's nicht fassen.) Ich hätte das ja nichtmal mitbekommen, hätte meine Oma nicht zufällig beim Mittagessen erwähnt, dass der Herr Nachbar ihr einen Kürbis schenken wollte. "Aber wir essen den ja nicht, also was soll ich wohl damit?" 

DEKORIEREN! Mensch, Oma. 
Nachdem ich dann also diensteifrig die nachbarsche Anfrage auf mich übergehen lassen habe und meinen Bedarf an Kürbis angemeldet hatte, gab es nur noch eins zu klären:

"Mädchen, den kriegst du doch nie mit nach Berlin!" (mein Opa) 
"Ach natürlich, ich bin doch stark!" (totale Selbstüberschätzung. Da hatte ich den Kürbis aber auch noch nicht gesehen.)
Also Opa geschnappt und rüber zum Nachbarn. Kürbis so groß wie ein kleines Pferd. (Siehe Foto 1) 
Egal, krieg ich mit. 
"Gurken auch?". 
"Ja aber gerne. Könnte ich vielleicht auch eine von diesen wunderschönen Zuchini..." 
Geschmeichelter Nachbar. Ungläubiges Kopfschütteln von meinem Opa.

Das Ende der Geschichte?

Bombenfund in Hannover! 

So dass ein sehr lieber Mensch aus Berlin, der dort zufällig grad Fortbildung hatte, einen Tag früher ins Wochenende starten und mich auf einem Weg im Auto mitnehmen konnte. 
"Dieses Kind hat mehr Glück als Verstand." (Meine Oma). 

War auch nötig. Meine Ernte hatte nämlich inzwischen etwas den Rahmen des Überschaubaren gesprengt, da hätten die Leute im Zug auf jeden Fall was zum Gucken gehabt. Das Gelbe ist übrigens die Zuchini, die in etwa die Größe meines Unterschenkels aufweist.



Und die Moral von der Geschicht? Ablehne einen Kürbis nicht!

(Was mit Artikulationsfähigkeit beginnt, soll auch mit ihr enden.)

Ps: JA, das sind drei  verschiedene Vintage Filter-Fotos in einem einzigen Blogbeitrag. Und nein, sie passen tatsächlich nicht besonders gut zusammen, aber die App macht so Spaß und immer das gleiche wär ja langweilig.

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