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Mittwoch, 9. Januar 2013

Geschichtsabitur? Probier's mal mit Follett! (Rezension Winter der Welt)


Jut Mädels, Computer immer noch kaputt, ist auch keine Besserung in Sicht, Neyashas Challenge hab ich deshalb leider schon verhauen, meine Kommentare sehen aus wie meine  Rechtschreibung in der ersten Klasse weil ich auf meinem Handy immer auf die falschen Buchstaben klicke… aber dat soll uns ma nich vom Bloggen abhalten, WA? (Berlin! Berlin! Wir fahren nach…) Deshalb habe ich mir jetzt die wahnsinnig elegante Lösung ausgedacht, die Posts zuhause auf dem Laptop zu tippen (das Problem ist nämlich die W-Lan Karte, nicht der Computer an sich) und sie dann auf der Arbeit hochzuladen. Wattn Spass.

Tolstoi lässt grüßen.

So. Runde geheult, jetzt zum Titelbuch. Schon vor Monaten hab ich mir für meinen letzten Beitrag zur Themenchallenge zum Thema Krieg den dicksten Wälzer ausgesucht, den ich finden konnte: Winter der Welt, gebundene Ausgabe, 800 Seiten stark, 5 Kilo schwer (gefühlt). Da ich ja den meisten mittlerweile als glühender Ken Follett Fan bekannt sein dürfte, hat sich das Opfer meinerseits allerdings in Grenzen gehalten. Wobei ich nach dem ersten Teil der sogenannten „Jahrhundert Trilogie“ jedoch meine Zweifel über dieses Buch hatte. Sturz der Giganten hat mich nämlich größtenteils tierisch gelangweilt und kann sich meiner Meinung nach im Lesegefühl in etwa mit unserem verehrten Herrn Tolstoi messen. Viel Politik, wenig Gefühle. Nicht so Winter der Welt.

Die Romane von Ken Follett liebe ich seit jeher wegen ihrer lebendigen Charaktere, von denen normalerweise jeder auf seine Art einzigartig ist.  Im Vorgänger ist diese Einzigartigkeit leider ein wenig der Anstrengung zum Opfer gefallen, alle Kriegsnationen inklusive ihrer Politik abzubilden, was ein verständliches Ziel ist, doch die Charaktere haben meiner Meinung nach ziemlich darunter gelitten und wirkten eher wie Mittel zum Zweck. Im zweiten Band kennt man ja nun schon die Hintergründe der diversen Familien, deshalb müssen diese nicht gemeinsam mit der Weltpolitik gerade noch so irgendwohin gequetscht werden, sondern man kann sich entspannt auf die jeweiligen Schicksale in der sich zuspitzenden politischen Lage konzentrieren.

Bühne frei für die zweite Generation

In Winter der Welt hat nun die zweite Generation das Sagen, die Kinder der Protagonisten aus dem ersten Buch. Und mit denen hatte Follett anscheinend deutlich mehr Spaß als mit ihren Eltern, denn hier kommt wieder der gekonnte Charakterautor und Schicksalsverknüpfer zum Zug. Auch wenn ich mit einigen Charakteren trotzdem nicht ganz zufrieden war - zwischendurch konnte ich sogar raten, wer das Ende wahrscheinlich nicht überlebt, einfach weil der Charakter so lustlos dargestellt war, was  wirklich nicht passieren sollte! – habe ich andere Figuren geliebt und gespannt ihr Schicksal und ihre Veränderungen verfolgt. Dabei hat Follett sich aus den Ereignissen vor und nach dem zweiten Weltkrieg immer nur einzelne Szenen herausgepickt, was mich zwischenzeitlich ehrlich gesagt ein wenig verwirrt hat, da zum Beispiel die Judenverfolgung in Deutschland nur knapp angerissen wird. Stattdessen konzentriert Follett sich eher auf den deutschen Widerstand gegen das Nazi-Regime und schafft es so, einen spannenden Agententhriller in die politische Kulisse mit einfließen zu lassen. Nebenbei habe ich aber auch viel über die politischen Vorkommnisse in anderen Ländern während dieser Zeit gelernt, zum Beispiel über den spanischen Bürgerkrieg, der damals bei uns in der Schule immer eher unter den Tisch gefallen ist.

Mein Fazit

Insgesamt ist das Buch eine gute Möglichkeit, sein Geschichtswissen zu erweitern und eine Gefühl für all die politischen Machtspielchen zu bekommen, die in diesen Jahren gelaufen sind. Im Gegensatz zu anderen Follett Werken, die sich gut und spannend in einer Nacht weglesen lassen, wäre mir Winter der Welt allerdings deutlich zu komplex. Es ist schon notwendig, beim Lesen aufmerksam mitzudenken, oder man verliert ziemlich schnell die Übersicht über all die politischen Verknüpfungen und Charaktere (Es ist mir auch immer mal wieder passiert, dass ich nicht mehr wusste, woher eine Figur die andere nun eigentlich kennt). Als Lektüre für die Abiturprüfung in Geschichte würde ich beide Bände aber ohne Vorbehalt empfehlen. Und auch wenn man sich in Geschichte schon bestens auskennt, bieten die Charakterschicksale noch einmal einen anderen Blickwinkel auf das Zeitgeschehen. Bei mir hat das Buch letztendlich dazu geführt, dass ich gerade die erste Biographie in meinem Leben lese: Das Leben der Sophie Scholl, aus deren Geschichte Ken Follet meiner Meinung nach einige Charakterzüge und Schicksale für seine Charaktere abgeleitet hat. Bin jetzt mit der Hälfte durch und kann die Biografie bis jetzt sehr empfehlen. Leider weiß ich schon, wie sie endet.                                       




Freitag, 26. August 2011

9.) Listen-Nr. 12: Sturmhöhe von Emily Brontë, 1847

“And I pray one prayer
–I repeat it till my tongue stiffens–
Catherine Earnshaw, may you not rest as long as I am living; 

you said I killed you
–haunt me, then! 
The murdered DO haunt their murderers, I believe. I know that ghosts HAVE wandered on earth. 

Be with me always
–take any form–
drive me mad! 

Only DO not leave me in this abyss, where I cannot find you! Oh, God! it is unutterable! I CANNOT live without my life! I CANNOT live without my soul!"

Zur Story:
Wuthering Heights, zu deutsch "Sturmhöhe", ist ein Anwesen tief im Herzen der Moore Englands. Die Menschen hier sind abgehärtet und zäh, die rauhe Landschaft und das harte Wetter können ihnen nichts anhaben. Zwei Geschwister wachsen auf dem Anwesen auf, Catherine Earnshaw, Cathy genannt, und ihr älterer Bruder. Als Cathy sechs Jahre alt ist, bringt ihr Vater ein Findelkind mit nach Hause. Dieser kleine Junge mit dem Namen Heathcliff wird von da an vom alten Earnshaw ständig bevorzugt, was Cathys Bruder dazu bringt, ihn abgrundtief zu hassen und zu schickanieren. Cathy leidet darunter, denn sie und Heathcliff werden die allerbesten Freunde. Als die Jahre vergehen, wächst Cathy zu einer atemberaubend schönen, jedoch furchtbar egoistischen jungen Frau heran. Heathcliff, dem nach dem Tod des Vaters niemand mehr Aufmerksamkeit, geschweige denn Bildung, zuteil werden lassen hat, verwahrlost immer mehr und wird zu einem finsteren, übellaunigen Eigenbrötler. Seine ganze Liebe gehört Cathy, denn die beiden sind weiterhin unzertrennlich. 

Die Geschichte spitzt sich zu, als Cathy den Heiratsantrag des jungen, reichen und dabei herzensguten Edgar Linton annimmt, obwohl sie ganz genau weiß, dass sie ihn nicht liebt. "I have no more business to marry  Edgar Linton, than I have to be in heaven; and if the wicked man in there had not brought Heathcliff so low, I shouldn´t have thought of it. It would degrade me, to marry Heathcliff now, so he shall never know how i love him: and that, not because he´s handsome, Nelly, but because he´s more myself than I am. Whatever our souls are made of, his and mine are the same: and Linton is as different as a moonbeam from lightning, or frost from fire." Heathcliff, der diese Sätze zufällig mit angehört hat, läuft davon. Drei Jahre lang bleibt er verschwunden und in dieser Zeit heiraten Cathy und Edgar Linton und führen eine einigermaßen glückliche Ehe, die vor allem davon getragen wird, dass Edgar seine launische, selbstzerstörerische Frau vergöttert und ihr jeden Wunsch von den Augen abliest. Doch dann steht auf einmal Heathcliff wieder vor der Tür, und er ist nicht mehr der verwahrloste kleine Junge, sondern ein gepflegter Gentleman, der es zu Geld gebracht hat. Und er sinnt auf Rache.

Meine Meinung:
Wieder habe ich hier ein Buch der Schwestern Brontë. Diesmal schreibt Emily Brontë und es wird ihr einziges Buch bleiben, denn ein Jahr nach seiner Veröffentlichung stirbt die Autorin an Tuberkulose.Angeblich weigerte sie sich bis zuletzt, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen oder sich ins Bett zu legen, weil sie "der Natur ihren Lauf" lassen wollte. Ein tragischer Verlust, denn damit hat sie die Welt um weitere Geschichten wie diese gebracht! Vor ein paar Tagen habe ich ich Wuthering Heights zu Ende gelesen. Ich konnte mich bis jetzt noch nicht überwinden, eine Rezension zu schreiben, ganz einfach weil mir die Worte fehlen. Dieses Buch ist eine Naturgewalt, es überrollt den Leser mit seiner Leidenschaft, seiner Grausamkeit, seiner Schönheit. Seit ich die Geschichte aus der Hand gelegt habe, konnte ich sie kaum einen Moment aus meinen Gedanken verbannen. Die Charaktere verfolgen den Leser weit über das Ende hinaus.

Emily Brontës erstes Werk hat im viktorianischen England des 19. Jahrhunderts eine ganze Flut von Kritikern hinter den Öfen hervor gelockt. Als dann noch bekannt wurde, dass das Buch von einer Frau geschrieben worden war (Wie ihre Schwester hatte auch Emily Brontë zuerst unter einem männlichen Pseudonym veröffentlicht), kannte die Entrüstung keine Grenzen mehr. Wie konnte eine Frau derart wilde Charaktere erschaffen? Zum ersten mal in dieser Zeit wurde ein so offensichtlich bösartiger Charakter wie Heathcliff zum Held eines Buches. Doch auch heute noch ist das verwirrend. Normalerweise gibt es in einer Geschichte ganz klar abgegrenzt das Gute und das Böse, das Helle und das Dunkle. Der Leser weiß genau, auf welcher Seite er zu stehen hat. Und normalerweise sind die "Guten" diejenigen, die die Liebe auf ihrer Seite haben.Wie aber ist es hier? Alle Figuren zeigen irgendeine Art von Liebe, mit Sicherheit. Aber keinem Charakter wird von der Autorin eine derartige Präsenz zugebilligt wie der zerstörerischen Strahlkraft Catherines, der vergeltungsgetriebenen Leidenschaft Heathcliffs. Und aus seiner Leidenschaft speist sich das Buch,sie gibt ihm seine Kraft. Die weniger leidenschaftlichen, dafür nach menschlichen Maßstäben "guten" Charaktere werden von Catherine und Heathcliff ins Abseits gedrängt, sie sind austauschbar, kaum präsent.

Mein Fazit:
Ich habe Wuthering Heights atemlos verschlungen. Liebe war niemals so gefährlich, so zerstörerisch, wie hier. Wenn zwei derart egoistische Charaktere wie Heathcliff und Cathy aufeinandertreffen, dann wird ihre Liebe zu einer unberechenbaren dunklen Macht, die alles verbrennt, was mit ihr in Berührung kommt. Als das Buch beginnt, ist Cathy schon tot; in den Wahnsinn getrieben und dann zugrunde gerichtet durch ihre unmögliche Liebe. Heathcliff jedoch überlebt und seine verzweifelte Bösartigkeit ruiniert im Laufe des Buches mehrere Leben. Der Leser verfällt einem Sog, der alles mit in den Abgrund reißt. Und ganz nebenbei verfällt er auch der Schönheit der wilden, englischen Landschaft. Ein Klassiker. Ein Muss. Und eine Fragen aufwerfende Abhandlung über den Egoismus der Liebe.

Dienstag, 16. August 2011

7.) Listen-Nr. 33: Die Säulen der Erde von Ken Follett, 1990


Mein Lieblingszitat: The young priest with the sinister air nudged the sheriff impatiently, but the sheriff took no notice. He let the thief carry on singing. There was a dreadful pause while the ugly man's lovely voice held death at bay.
"At dusk the hunter took his prey 
 The lark his freedom never 
 All birds and men are sure to die 
 But songs may live for ever."
Zur Story:
Wir schreiben das Jahr 1123, "Die Säulen der Erde" beginnt mit dem Mord an einem Unschuldigen. Zum Tode verurteilt durch einen Priester, einen Ritter und einen Mönch, stirbt der junge Mann an einem Wintermorgen durch den Strang. Während er fällt, stürzt eine junge, schwangere Frau in den Schnee. Sie breitet die Arme aus und verhängt einen Fluch über die drei Männer, die ihren Geliebten und den Vater ihres Kindes ermordet haben.

Dem Lebenswege dieser vier Personen und anderer, die ihren Weg kreuzen, wird der Leser im Verlauf des Buches folgen. Eine Zeitspanne von über 50 Jahren umfassend, hat Ken Follet ein Epochenwerk geschaffen, das Seinesgleichen sucht. Im England des 12. Jahrhunderts vereint der Bau einer Kathedrale Volk und Edelmänner, Steinmetze und Mönche. Doch die Kathedrale hat Feinde und diese wissen sich zu einer unberechenbaren Macht zu verbünden.

Meine Meinung
Der Meister schreibt. Ich traue mich kaum, Ken Follett zu rezensieren, einen derartigen Heidenrespekt habe ich vor dem Mann. Dieses Buch ist eins meiner absoluten Lieblingsbücher und es hätte mich um ein Haar dazu gebracht, Geschichte zu studieren. Auf 1150 Seiten erschafft Follett eine Welt, in die man eintauchen muss, denn man wird von der ersten Seite an mitgerissen, in einem Strom aus Leidenschaft, Hass, Rache, Gottvertrauen, Grausamkeit und Liebe. Es spielt keine Rolle, wo ich dieses Buch aufschlage; Zuhause, bei Starbucks, im Flugzeug oder mitten in einer langweiligen Vorlesung: Innerhalb weniger Sekunden existieren keine Hintergrundgeräusche mehr, ich höre keinen Professor mehr, kein Tassengeklapper, keine Flugzeugmotoren. Alle Alltagsgeräusche verschwinden einfach, denn ich bin im Mittelalter! Ich überblicke mit dem Steinmetz Jack stolz die neuen Mauern seiner Kathedrale, ich leide mit Prinzessin Aliena unter dem Schwur, den ihr Vater von ihr fordert, ich spaziere mit dem Mönch Phillipp durch den Kräutergarten seines Klosters. Ich fange an, leidenschaftlich Menschen zu hassen, die nur auf Papier existieren. Follett erschafft Charaktere, die so real sind, dass sie fast aus dem Buch herausklettern. Die hintergründigen Handlungsstränge sind geschichtlich wasserdicht, in diesem Buch muss eine Heiden-Recherchearbeit stecken. Die erfundenen Situationen sind derart bildlich in die Handlung eingeflochten, dass man quasi in die Geschichte plumpst. Der Leser kann sich nicht wehren - dieses Buch reißt Jeden mit.
  
Fazit
Wenn ihr es noch nicht gelesen habt: Feiert! Ihr habt ein fantastisches Abenteuer vor euch! Ihr werdet das mittelalterliche England kennen lernen, den Jakobsweg entlangpilgern und die Gastfreundschaft arabischer  Händler genießen. Ein atemberaubendes Panorama englischer Geschichte, ein spannungsgeladener Kampf des Guten gegen das Böse und ein Plädoyer für die Menschlichkeit!

Donnerstag, 14. Juli 2011

4.) Listen-Nr. 17: Große Erwartungen von Charles Dickens, 1860

Mein Lieblingszitat: "In an armchair sat the strangest Lady I had ever seen, or shall ever see. She was dressed in rich materials — satins, and lace, and silks — all of white. And she had a long white veil dependent from her hair, and she had bridal flowers in her hair, but her hair was white. (...) She had not quite finished dressing, for she had but one shoe on — the other was on the table near her hand — her veil was half arranged, her watch and chain were not put on. (...) But, I saw that everything within my view which ought to be white, had been white long ago, and had lost its luster, and was faded and yellow. I saw that the bride within the bridal dress had withered like the dress, and like the flowers, and had no brightness left but the brightness of her sunken eyes."

Zur Story:
Ich habe noch nie Charles Dickens gelesen, natürlich aber von ihm gehört. Nach kurzer Internetrecherche weiss ich nun über den "Meister viktorianischer Prosa", dass seine Werke "brilliante Plots" besitzen und die Figuren seiner Bücher zu den "most haunting", also den packendsten Charakteren der Literaturgeschichte gehören. Was damit gemeint ist, wird mir schon innerhalb der ersten Seiten klar. Unsere Hauptfigur ist Pip, ein Waisenjunge der zu Beginn des 19. Jahrhunderts von seiner Schwester und ihrem Mann in ärmlichen Verhältnissen großgezogen wird und seine Geschichte rückblickend aus der Ich-Perspektive erzählt. In seinem Dorf gibt es eine große Villa, deren Besitzerin Miss Havisham seit langer Zeit niemand mehr zu Gesicht bekommen hat. Völlig unerwartet erhält Pip aber eine Einladung die Villa zu besuchen. Als er dort ankommt und Miss Havisham zum ersten Mal erblickt (siehe Zitat oben), wird der Leser von Charles Dickens mühelos in die gespenstische Welt hineingezogen, die sich vor Pip entfaltet. Die alte Frau, so wird Pip etwas später erfahren, wurde vor vielen Jahren an ihrem Hochzeitstag von ihrem Geliebten sitzengelassen, während sie sich gerade für die Trauung anzog. Voller Verbitterung ließ sie daraufhin das Leben in ihrer Villa anhalten, alle Uhren wurden gestoppt und Miss Havisham verbringt ihre Tage von nun an in ihrem alten Hochzeitskleid in ihrer Hochzeitskammer und setzt sich nie wieder dem Tageslicht aus. Inmitten dieser traumatischen Atmosphäre wächst ein kleines Mädchen auf, Miss Havishams Adoptivtochter Estella, die zwar wunderschön aber eiskalt ist, da sie von der alten Dame von jeher eingetrichtert bekam, dass Liebe nur Schwäche bedeutet. Estella behandelt Pip wie einen nichtsnutzigen Bauernjungen, trotzdem verliebt er sich unsterblich in sie und sein ganzes weiteres Handeln wird davon bestimmt, irgendwann Estella zu heiraten.

Meine Meinung:
Hm. Warum eigentlich? Von Anfang an habe ich meine Probleme damit gehabt, zu vestehen, warum um alles in der Welt sich so ein pfiffiger Junge wie Pip in so ein kleines Biest verlieben sollte. Der einzige Grund, den Dickens anführt, nämlich ihre Schönheit, kann ja wohl kaum einen Menschen dazu bringen, für immer und ewig wahnsinnig verliebt zu bleiben, wenn er weiß das das Objekt seiner Begierde ein herzloses Miststück ist?    Von dieser kleinen Verständnisschwierigkeit meinerseits abgesehen, ist die Geschichte ein fein gewebtes Meisterstück über Freundschaft und Treue. Denn Pip, dem irgendwann durch einen unbekannten Gönner mit einer Menge Geld zu großen Erwartungen ("Great Expectations") verholfen wird, wendet sich von den mittellosen und und ungebildeten, dafür aber herzensguten Freunden seiner Kindheit ab und lässt sich dazu verleiten als Gentleman in London ein bisschen versnobt zu werden. Die ganze Zeit aber hat er deshalb ein solch schlechtes Gewissen, dass man als Leser gar nicht anders kann, als ihn zu bemitleiden. Und froh darüber ist, dass er auch in London gute Freunde findet.

Tatsächlich hat Pip einen solchen Haufen wohlmeinender und herzensguter Menschen um sich herum, dass mir das schon ein bisschen komisch vorkam. Ich hab immer auf den Verrat gewartet, aber der kam einfach nicht. Ob das nun an meiner pessimistischen Weltanschauung liegt oder an der Spannungskurve, die ich von einem guten Buch erwarte, kann ich nicht beantworten. Es fiel mir aber durchaus nicht schwer, das Buch immer mal wieder aus der Hand zu legen, was schon eine Menge aussagt. Denn auch wenn die Geschichte trotz ihrer Komplexität hinterher in einem geschickten Plot endet, tröpfelt sie stellenweise ziemlich ereignislos dahin.
Ich würde sagen, dies ist ein Buch, das ich mit auf eine einsame Insel nehmen würde. Die Schauplätze der Geschichte sind so liebevoll gestaltet und die Charaktere so facettenreich, dass ich glaube, man kann auch nach dem zehnten mal lesen noch etwas Neues entdecken. Außerdem ist Dickens Erzählstil künstlerisch mit nichts zu vergleichen, was sich in unserem Zeitalter finden lässt. Auch in seinen Büchern gibt es nämlich die ätzenden, nervigen Charaktere. Dickens bindet sie aber so charmant in seine satirisch anmutenden Situationen ein, dass selbst das ständige dreiste Eigenlob Pips nervtötenden Onkels ein konstantes Schmunzeln beim Leser hinterlässt. 

Mein Fazit:
Alles in allem eine wundervoll einfühlsame Geschichte über das Erwachsenwerden und die eigenen Träume mit einigen derart durchgeknallten Figuren, dass jeder Psychologie-Student seine reine Freude daran haben wird. Als großer Klassiker absolut gerechtfertigt und ein gutes Begleitprogramm sowohl für Menschen die gerade in einer akuten Sinnkrise stecken, als auch für Träumer, die in Büchern gerne das echte Leben vergessen. Für einen spannenden Leseabend würde ich aber vielleicht eher Ken Follet oder so empfehlen. Verdienter Listenplatz Mister Pip.

Sonntag, 26. Juni 2011

1.) (Teil 2) Jane Eyre von Charlotte Brontë, 1847

Meine liebe Jane, du hast mich jetzt echt fertig gemacht. Ich hab die letzten Stunden vor dem Ende damit verbracht, um deine Zukunft zu bangen. Hab immer wieder innerlich geschrien: "Jane, mach keinen Scheiß jetzt!". Und hat es was gebracht? 

Kann ich natürlich nicht sagen jetzt. Ich kann ja schließlich nicht die Geschichte verraten! 

Jane Eyre ist eine Frau des 19. Jahrhunderts. Googelnd komme ich auf Begriffe wie "Emanzipation", "Stolz", "Stärke", die im Zusammenhang mit ihrem Charakter stehen. Aus der Perspektive unserer Zeit, in der ich nun vollkommen selbstverständlich mein Studium und meinen späteren Beruf nach meinen Interessen und Fähigkeiten wähle, ist es kaum zu glauben wie wenig Zeit vergangen ist, seit Frauen hiezu nicht einmal ansatzweise in der Lage waren. (Männer übrigens auch nicht, aber um die geht´s grad nicht.) Zwar wurde zwischen 1870 und 1894 in Europa das Frauenstudium eingeführt, Studentinnen blieben jedoch weiterhin eine Ausnahme. Und da unsere Jane ein paar Jährchen vorher gelebt hat, war ein Unistudium für sie nicht mal eine in Erwägung zu ziehende Möglichkeit, obwohl sie extreem intelligent ist. Sie geht zur Schule, wird Lehrerin und dann Gouvernante. Damit hat sie eine der einzigen Möglichkeiten einer englischen Frau benutzt, wenigstens etwas eigenes Geld zu verdienen. So weit so gut, wenn sie jetzt still geheiratet und 3 Kinder bekommen hätte, wäre das Buch nicht so in die englische Gesellschaft geknallt, wie es das damals getan hat.

Wir sprechen hier von 1847, in England schleicht sich so langsam die Industrialisierung an. Das Leben ist hart, die Menschen sind gläubig, die Ehe ist zum Kinderkriegen da. In den gehobenen Kreisen wird geheiratet, um den Status zu sichern. Die Mädchen reicher Eltern gehen zwar zur Schule, was sie dort lernen, gibt ihnen aber in erster Linie das Handwerkszeug um eine gute Hausfrau zu werden. Das Lebensziel ist es, eine gute Partie zu sichern. Liebe kommt dann später oder auch nicht. Eine gute Frau sollte zufrieden sein mit dem,was sie hat und sich nicht beklagen. Außerdem findet sie ihre Erfüllung ja sowieso im Kinderkriegen. Die idealen Eigenschaften einer Frau sind Aufopferungsbereitschaft, Reinheit und Stille. Leidenschaft gilt bei Frauen als unnatürlich, eher krankhaft. Jane hat´s schwer.

Unsere Heldin ist ein leidenschaftlicher Mensch, sie lebt nach ihren eigenen Regeln und ist für ihre Zeit extrem emanzipiert. Trotzdem geht sie mir manchmal tierisch auf den Keks. In eine emanzipierte Zeit geboren und mit einem Dickkopf ausgestattet, geht es mir einfach nicht in den selben, wie sich so ein pfiffiges Mädel ständig von Männern herumkommandieren lässt. Sie tut das vollkommen selbstverständlich und ordnet sich auch gerne unter. Nur einmal muckt sie wirklich auf: Da geht es nämlich gegen ihre Wertvorstellungen von einem christlichen Leben. Sie haut ab. Und während Jane sich und ihrem Liebsten jede Hoffnung auf eine glückliche Zukunft miteinander verbaut und damit in Kauf nimmt, für den Rest ihres Lebens kreuzunglücklich aber dafür nach ihren Idealen zu leben, kann ich in meinem behaglichen 2011 nur seufzend den Kopf schütteln. Man kanns auch echt übertreiben mit der Prinzipientreue.

Aber gut, sie hat das sehr straight durchgezogen, muss man ihr lassen. Und nachdem sie fast verhungert wäre, weil sie nämlich sowohl zu stolz ist, um Geschenke anzunehmen als auch um zu betteln, schafft sie es, von allerlei Zufällen und überraschenden Wendungen getragen tatsächlich, sich ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Meinen Respekt Frau Eyre. Was hätte sie aber ohne diese - meiner Meinung nach etwas arg konstruierten - Zufälle getan? Naja lassen wir das, es ist ja jedem klar, dass er hier eine erfundene Geschichte liest und keine Biografie. Grundsätzlich bin ich aber kein großer Fan von Zufällen in Büchern, vor allem nicht von solchen, ohne die die Geschichte sehr anders geändet hätte. Jane wäre dann nämlich sang und klanglos im Wald verhungert.

Grundsätzlich stimme finde ich die Geschichte schön und habe sie gerne gelesen. In meine persönlichen Top 100 wird sie es aber nicht schaffen. Trotz romantischer Dialoge und aufopferungsvoller Liebe zieht die Geschichte mich nicht so sehr in ihren Bann, dass ich meine Umwelt vergesse (Normalerweise passiert mir das permanent). Charlotte Brontë hat die Geschichte fairerweise aber auch nicht geschrieben, um verwöhnten deutschen Mädels im 21. Jahrhundert einen netten Leseabend zu bereiten. Jane Eyre ist ein Instrument zur Gesellschaftskritik. Und wie nötig diese Gesellschaft Kritik hatte, zeigt schon der Umstand, dass das Buch in der Erstversion unter dem Pseudonym "Currer Bell" erscheint, da es von einer weiblichen Autorin nicht ernst genommen worden wäre. So aber wurde es zu einem Erfolg. Und beschert uns noch heute eine leidenschaftliche Heldin, eine dramatische Liebe und einen spannenden Einblick in eine Zeit, in der selbst ein gebildetes, mitfühlendes Mädchen wie Jane Eyre es vollkommen selbstverständlich findet, sich ein Land unter den Nagel zu reißen, um es zu kolonialisieren. Denn auch wenn die Emanzipation der Frauen so langsam in England anklopfte; die Emanzipation anderer Rassen war auch für Charlotte Brontë noch sehr weit weg.  

Dienstag, 21. Juni 2011

1. (Teil 1) Jane Eyre von Charlotte Brontë, 1847

Mein Lieblingszitat:  
"And so you were waiting for your people when you sat on that stile?"

"For whom, sir?"

"For the men in green: it was a proper moonlight evening for them. Did I break through one of your rings, that you spread that damned ice on the causeway?"I shook my head. "The men in green all forsook England a hundred years ago," said I, speaking as seriously as he had done. (S. 124)


Ich fange an zu lesen und habe keinen blassen Schimmer was eigentlich passieren wird, da ich wie immer den Klappentext ignoriert habe. Vor allem klassische Literatur hat die nervige Angewohnheit, mir mit wenigen Sätzen auf dem Deckel das ganze Buch zu verraten. Ich weiß ja, dass ich hier Weltliteratur lese und es ist mir schon ein bisschen peinlich, dass ich von Jane Eyre nur den Namen kenne. Die Einleitung verrät mir zumindest schon mal etwas über Charlotte Brontë. Als eines von sechs Kindern wächst sie in einem strengen Elternhaus mit wenig Liebe auf. Als sie acht Jahre alt ist, wird sie zusammen mit drei ihrer Schwestern in ein Internat gesteckt, in dem die Konditionen so schlecht sind, dass zwei Ihrer Schwestern dort an Tuberkolose sterben. Charlotte und ihre Schwester Emily überleben aber und schaffen es knapp 150 Jahre später mit ihren Büchern immer noch zu den beliebtesten aller Zeiten zu gehören. Ich bin gespannt warum.

130 Seiten später bin ich vollkommen in das England des 19. Jahrhunderts eingetaucht. Meine Mittagspause auf der Arbeit habe ich zum ersten mal ganz unsozial mit einem Buch verbracht statt mit meinen Kollegen. Schließlich hat Jane gerade Mr. Rochester kennengelernt und der Name sagt selbst mir als vollkommen unerfahrener Brontë-Ignorantin.etwas. Zuallererst fällt mir auf, dass das Buch, obwohl 160 Jahre alt und auf Englisch, leicht verständlich und gut zu lesen ist. Nur mit den teilweise eingestreuten französischen Sätzen hapert es bei mir etwas. Ich wundere mich zuerst, dass es dazu nie eine Übersetzung oder Erklärung gibt, bis ich mich dunkel erinnere, das Französisch damals ja bei der Bildungsschicht noch "tres en vogue" war. Vorsichtshalber habe ich das aber nochmal gewikit. "Im 18. Jahrhundert übernahm das Französische als Sprache des Adels die Domäne der internationalen Beziehungen und der Diplomatie (zuvor: Latein). Durch die Französische Revolution und das Scheitern der napoleonischen Großmachtspolitik, die den Nationalismus und die Freiheitsbewegungen der unterworfenen Völker hervorbrachte, ging die Verwendung des Französischen stark zurück und wurde von Englisch verdrängt." Schau an.

Meine zweite Erkenntnis ist, dass es mir erstaunlich leicht fällt, mich mit der im Jahre 1847 lebenden Heldin zu identifizieren. Ich schätze Mädchen sind nun einmal Mädchen, egal in welcher Zeit. Jane Eyre, ein Waisenkind das in England bei einer reichen Pflegefamilie aufwächst, wird von ihrer Pflegemutter ignoriert und von deren Kindern misshandelt. Mit zehn Jahren wird sie von Ihnen in ein Waisenhaus gesteckt, in dessen Schule sie später als Lehrerin arbeitet. Aus der Einleitung weiß ich, dass das Buch teilweise autobiographisch ist und die Schule auf ihrem realen Vorbild beruht. Deshalb ist es noch viel erschreckender, was Jane Eyre im Rückblick in der Ich-Form beschreibt. Der Leiter der Waisenschule, ein total abgedrehter Kirchenprediger, der mit seiner "Wenn der Körper fastet, wird der Geist gelabt"-Mentalität die Kinder fast verhungern lässt, schneidet den Mädchen auch schon mal die Zöpfe ab, wenn sich die Haare zu sehr locken. "My mission is to mortify in these girls the lust of the flesh". Es ist eine Verwirrung, der schon tausende Männer vor und nach seiner Zeit in allen Teilen der Welt zum Opfer gefallen sind: Ihre eigenen dreckigen Gedanken auf Frauen zu projizieren und diese, als "logische Schlussfolgerung", zu unterdrücken. 

Jane lässt sich aber nicht unterdrücken und als sie mit 18 Jahren die Schule verlässt und bei Mr. Rochester (Oha! Die Handlung beginnt sich zu verdichten...) als Gouvernante für dessen Schützling anfängt, ist sie ein fantasievoller Querkopf mit einer großen Klappe. Ihre offene, ungeschminkte Art würde auch heute noch bestimmte Leute verschrecken und war mit Sicherheit damals vollkommen und komplett ungeeignet für eine wohlerzogene, junge Dame im 19. Jahrhundert. Ich könnte mir vorstellen dass es auch die Charaktereigenschaften ihrer Heldin sind, die Charlotte Brontë damals einige Kritiker eingebracht hat. Diese Herren adressiert sie denn auch im Vorwort. "Konvention ist nicht Moral. Selbstgerechtigkeit ist nicht Religion. (...) Männer verwechseln diese Dinge zu häufig. Sie sollten nicht verwechselt werden." Jane Eyre ist keine graue Maus, auch wenn ihr Aussehen so beschrieben wird. Sie liebt Bücher und Geschichten und aus vollkommen ordinären Situationen werden in ihren Gedanken Begegnungen mit Fabeltieren und Geistern. 

Als sie schließlich auf Mr. Rochester trifft, ist mein oben genanntes Lieblingszitat eine der ersten Unterhaltungen die sie führen. Abgesehen davon, dass er sich bis jetzt benommen hat wie ein arrogantes Arschloch, scheint der Gutsherr auf einem guten Weg. Wenn er sich mal dazu herablässt eine vernünftige Unterhaltung zu führen, taucht er mühelos in Janes Fantasiewelt ein. Der Dialog der beiden geht sofort und unangekündigt in eine Ebene, die niemand der anderen Bewohner mehr versteht. Sie reden vollkommen ernst den größten Quatsch miteinander, ohne es jemals aufzulösen. Außerdem scheint er einen Hang zum Romantiker zu haben, denn er beschreibt die von Jane gemalten Bilder mit einer derartigen Poesie, dass meine Englischkenntnisse schon leicht mit den Ohren schlackern.

Das ist übrigens auch einer meiner Wehmutspunkte: Die Figuren reden manchmal nicht so ganz ihrem Charakter entsprechend. Das Mr. Rochester ein tiefgreifender Nostalgiker zu sein scheint und manche Dinge eher so beschreibt wie eine Frau das tun würde, ist nun mal dem Plot geschuldet. (Zum jetzigen Zeitpunkt gehe ich stark davon aus, dass es auf eine Liebesgeschichte hinauslaufen wird. Falls am Ende Jane total abdreht und das ganze Gut im Schlaf umbringt, mag sich meine Sicht auf die Charaktere noch ein wenig ändern.) Aber das Janes 14-jährige Freundin Helen die Einsicht und Charakterstärke einer Mutter Theresa und das Ausdrucksvermögen einer Pastorin an den Tag legt, scheint mir doch etwas unwahrscheinlich. Bis jetzt gab es auch noch keine Szene bei der ich wirklich vollkommen ergriffen und mitgerissen war. Wenn man in Betracht zieht, dass ich mich normalerweise schon bei einer rührenden Bierreklame in Tränen auflöse, heißt das einiges. Ich bin aber sicher, dass dieser Verzicht auf tiefe Gefühle nicht aus einer literarischen Unfähigkeit entspringt, sondern gewollt ist und sich das später noch ändert. Evtl. liegt es auch an der Zeit, zu der das Buch geschrieben wurde. Ich bin nicht so oft im 19 Jahrhundert unterwegs und mir deswegen nicht ganz sicher. Wie auch immer, ich werde es wohl im zweiten Teil erfahren. Bis dahin muss meine Zustimmung oder Absage zur 100Bücher-Liste wohl noch warten.

Hier geht es zum zweiten Teil der Rezension.
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