Es ist wunderschön draußen, die Sonne knallt, Berlin ist voller Touristen und wir haben jedes Wochenende die Bude voller Freunde. Und wenn nicht, dann ist garantiert irgendwo ein Couchsurfer Picknick. (Falls ihr euch schon immer mal auf der Couchsurfing Plattform anmelden wolltet, es aber nie getan habt: jetzt ist der Zeitpunkt! Man lernt wahnsinnig viele interessante Menschen kennen. Außerdem gibt es mir die Chance, wenigstens die Welt ein bisschen zu mir zu holen, wenn ich schon keine Zeit zum Reisen habe). Ich hab also jedenfalls grad Highlife und mein Blog nicht.
Vergebt es mir - der nächste Regen kommt bestimmt!
Falls in eurer Nähe zufallig grad kein Picknick stattfindet und eure Freunde alle im Urlaub sind, ist das Wetter natürlich perfekt, um sich ein Buch zu schnappen und das Wochenende auf einer Decke im Park zu verbringen. Dafür hab ich euch drei perfekte Bücher rausgesucht, die
- ich dieses Jahr im Urlaub gelesen habe
- sich easy an einem Wochenende durchlesen lassen
- und einen Hauch des Besonderen haben
alle drei sind Jugendbücher, konnen meiner Meinung nach aber in jedem Alter gelesen werden. Und ich habe ausnahmsweise alle drei Bücher auf deutsch gelesen und finde sie sämtlich sehr angenehm übersetzt. Die Geschichten wechseln in der Stimmung von sehr fröhlich zu sehr, sehr düster und von locker-leicht bis sehr komplex. Bei der dritten ist etwas Vorsicht geboten.
1. Die erste Liebe (nach 19 vergeblichen Versuchen) von John Green
"Schwöre, dass du nicht lachst!" sagte sie.
"Ich schwöre"
"Es ist eine Textilfabrik. Heutzutage stellen wir hauptsächlich... Tamponfäden her."
Colin lachte nicht. Er dachte: Tampons haben Fäden? Warum? Von all den großen Geheimnissen des Universums - Gott, der Sinn des Lebens, usw. - wusste er von Tampons am Allerwenigsten.
Zur Story: Colin ist am Boden zerstört, denn gerade wurde er zum 19. mal von einem Mädchen namens Catherine verlassen. Da hilft ihm auch seine erwiesene Hyper-Intelligenz nichts. Sein Freund Hassan sieht nur einen Ausweg aus dem Liebeskummerloch - ein Roadtrip durch Amerika.
Empfehlung: John Green wird nicht umsonst als einer der hellsten Sterne am Jugendbuch-Himmel gefeiert - er schreibt fantastisch! Warmherzig, locker-leicht und mit einem sehr pointierten Humor. Seine Charaktere sind liebenswert und authentisch. Der Mann weiß einfach noch, wie man sich als Teenager fühlt. Neben dem Obernerd Colin, der seine Zeit damit verbringt, komplizierte Theoreme aufzustellen und Anagramme zu bilden, hat es mir vor allem sein Freund Hassan angetan. Hassan ist Moslem, hat sich vorgenommen mit der körperlichen Liebe bis nach der Hochzeit zu warten und hält Colin erfolgreich davon ab, seine Exfreundin anzurufen. Die beiden sagen sich in saukomischen Dialogen sehr deutlich gegenseitig die Meinung, haben aber für den Fall, dass sie tatsächlich die Gefühle des anderen verletzen sollten, ein Codewort ausgemacht: Ritzenkrümel. Dadurch entstehen dann Szenen, wie die folgende, die mir auch Stunden später noch ein Grinsen entlocken.
"Der Sitzengelassene ruft nicht an. Das weißt du genau, Kafir. Der Sitzengelassene darf nie, nie anrufen. Es gibt keine Ausnahme von dieser Regel. Keine. Nie anrufen. Niemals.Du darfst nicht anrufen." Colin griff in seine Hosentasche."Tu's nicht, Mann. Du ziehst am Zünder einer Handgranate. Du bist mit Benzin übergossen und das Telefon ist das brennende Streicholz." Colin klappte sein Handy zu. "Ritzenkrümel", sagte er. Hassan warf die Hände in die Luft. "Dazu kannst du nicht Ritzenkrümel sagen! Das ist ein offenkundiger Missbrauch von Ritzenkrümeln! Ich sage Ritzenkrümel, wenn du sie anrufst."
2. Bevor ich sterbe von Jenny Downham
Mit einem Erdbeereis in der Hand werde ich nicht sterben, das weiß ich. "Gut möglich, dass ich nach diesem noch eins möchte." Dad sagt mir, dass ich so viel Eis haben kann, wie ich will. Von ihm aus auch fünfzig.
Zur Story: Tess ist 16 und weiß, dass sie den Kampf gegen die Leukämie nicht mehr lange bestehen kann. Bevor sie stirbt, möchte sie aber noch 10 Dinge erleben, die sie auf einer Liste notiert. Tess' Vater, der seiner Tochter hilflos dabei zusehen muss, wie sie immer schwächer wird, steht eisern an ihrer Seite und richtet sein ganzes Leben nach ihr aus. Verständlicherweise fühlt sich Tess dadurch noch zusätzlich unter Druck gesetzt und beginnt, wie der Teenager der sie nun einmal ist, eine ganze Menge Blödsinn zu machen. Gut, dass ihr dabei ihre beste Freundin zur Seite steht, die so mit ihren eigenen Problemen beschäftigt ist, dass sie nicht auch noch ständig auf Tessas Krankheit achten kann.
Empfehlung: Die Geschichte weist naturgemäß viele Ähnlichkeiten zu John Greenes "The fault in our stars" auf, ist aber trotzdem einzigartig und eine unbedingte Empfehlung wert. Jenny Downham webt die Beziehungen zwischen ihren Protagonisten mit so viel Einfühlungsvermögen, dass es dem Leser die Kehle zuschnürt. Besonders intensiv waren für mich die Szenen mit Tess kleinem Bruder, der nicht nur gerade seine Schwester verliert, sondern auch die Aufmerksamkeit seiner Eltern, die natürlich nur noch mit ihrer Tochter beschäftigt sind. Tess macht ihn kurzerhand zu ihrem Komplizen und die sich ergebenden Dialoge sind eine einzigartige Mischung aus kaum zu ertragen und ziemlich witzig.
"Dad fragt, ob du Blaubeeren willst."
"Ne"
"Was soll ich ihm sagen?"
"Sag ihm, ich will ein Elefantenbaby."
Er lacht. "Du wirst mir fehlen."
3. Nichts - Was im Leben wichtig ist von Jane Teller
"Ich kann fast nicht erzählen, was Sofie abliefern sollte. Es war etwas, worauf nur ein Junge kommen konnte und es war so eklig und widerwärtig, dass fast alle ein gutes Wort für sie einlegten. Sie selbst sagte nicht viel, nur Nein und Nein, und sie schüttelte den Kopf und zitterte am ganzen Körper. Der große Hans kannte keine Gnade."
Zur Story: Als eines Tages ein Klassenkamerad nicht mehr zur Schule kommt und stattdessen verkündet, nichts habe im Leben eine Bedeutung und deshalb müsste er auch der Schule keine geben, gibt es einen Aufruhr in Agnes Klasse. Die Kinder beschließen, Sachen zu sammeln, die eben doch etwas bedeuten und sie auf einem Haufen zusammenzubringen. Die Geschichte beginnt ziemlich schnell zu eskalieren, denn damit auch wirklich bedeutsame Dinge abgegeben werden, darf jeweils jemand anderes darüber entscheiden, was sein Klassenkamerad abzugeben hat. Was mit einem Paar Sandalen beginnt, führt ziemlich schnell zu immer sadistischeren Forderungen.
Empfehlung: "Nichts" ist eigentlich kein Buch, sondern eher eine kurze Fabel mit einer Moral. Und ich empfehle es auch ausnahmsweise nicht, weil es mir besonderen Spaß gemacht hat, es zu lesen. Die Begeisterung der Kritiker zu dieser Geschichte, die stellenweise ja schon fast in Hysterie ausgeartet ist, fand ich übertrieben. Nichtsdestotrotz kann ich das Buch jedem Literaturbegeisterten empfehlen, da es durch seinen einzigartigen, kalten und distanzierten Erzählstil eine neue Erfahrung ist. In der Tradition von "Herr der Fliegen" zeigt es beklemmende menschliche Gruppendynamiken auf, die leider wohl kaum realitäsfern sind, vor allem in Situationen, in denen Individuen einerseits machtlos sind und andererseits gegenüber anderen Macht ausüben können. Die Überlegung, was mit einem Kind passiert, das gerade gezwungen wurde, das was ihm am wichtigsten ist, aufzugeben - auf der anderen Seite aber in der Lage ist, dem Nächsten in der Reihe das Selbe anzutun, ist beängstigend. Und die Autorin zieht die Schnüre auch konsequent zu. Ich hatte mir von dem Buch trotzdem etwas mehr versprochen, bin aber sehr gespannt auf eure Meinungen. "Nichts" ist in Skandinavien nicht umsonst zur neuen Abitur-Analyse Vorlage mutiert, man kann sich da wahrscheinlich zu Tode interpretieren.