Montag, 26. September 2016

Teenietage - von der Unfähigkeit, mich literarisch weiterzubilden.

Neulich auf dieser Networking Veranstaltung:

„Ich wusste gar nicht, dass du einen Literaturblog hast!“
„Mhmm, ja, ich blogge auch kaum noch.“
„Aber dann kennst du dich ja mit Literatur sehr gut aus! Was liest du denn so? Ich lese ja gerade dieses neue Werk von diesem Literaturpreisträger, hier, Dings.“
„Äh... ich lese gerade „The Boyfriend List.“
„...“
„Ja... ich weiß. Ist eigentlich für Teenies, aber das ist echt ein cooles Buch!“
„Achso. Ja, hm, Ich geh nochmal schnell zum Buffet, die bauen ja sonst gleich ab!“

Diesen Winter werde ich meinen 29. Geburtstag feiern. Die Zeit, in der ich gefahrlos Jugendbücher verschlingen darf ohne als literarischer Loser dazustehen, neigt sich leider dem Ende entgegen... ehrlicherweise hat sie das Ende wahrscheinlich schon einige Jahre hinter sich gelassen. Nun stellt sich allerdings die Frage, was nach dem Ende kommt. Was kann ich mit, oh Himmel, FAST DREIßIG gefahrlos lesen, um mich in der Unterhaltung mit anderen Erwachsenen immer noch als Literatur Liebhaber bezeichnen zu dürfen? Ich kann ja schlecht jedes Mal den ollen Tolstoi in den Ring schmeißen, noch dazu wo ich Krieg und Frieden nicht mal zu Ende gelesen habe!

Ein wenig stolz darf ich wohl vermelden, dass ich zumindest mittlerweile eine gesunde Skepsis vorweisen kann, sobald ich irgendwo ein Teenager-Liebes-Dreieck wittere. Und Titelheldinnen sofort entlarven kann, sobald sie anfangen über ihre eigenen Füße zu fallen und davon reden, wie unscheinbar sie sind. Und mit den Buch-Empfehlungen meiner 18-jährigen Schwägerin nur noch ca. in der Hälfte aller Fälle übereinstimme, während das vor einem Jahr noch ganz anders aussah. (Denn mal ehrlich, Throne of Glas ist so offensichtlich voller platter Stereotypen und Plotholes, dass es selbst mir auffällt. Was nicht bedeutet, dass ich es nicht trotzdem amüsiert zu Ende gelesen habe. Ich hab mir nur die Fortsetzung nicht gekauft.) Aber das kann ich ja keinem erzählen, der sich mit mir über die „grundlegende Skepsis gegenüber der Repräsentation“ in den Werken von Alice Munro unterhalten will. Von der ich nichts gelesen habe. Obwohl sie 2013 einen Literaturnobelpreis bekommen hat.

Wenn ich vor der Entscheidung stehe, mich literarisch weiterzubilden oder das neueste Teeniebuch meiner langen Reihe von Lieblingsteeniebuchautoren auf meinen Kindle zu laden und den Rest des Nachmittages meine Couch nicht mehr zu verlassen – gewinnt immer die zweite Option.

Tja. Und was tue ich jetzt mit diesem Eingeständnis meiner literarischen Bildungsangst?

DEN ZWEITEN BAND RUBY OLIVER AUF MEINEN KINDLE LADEN UND DRAUF WARTEN, DASS ICH VON ALLEIN ERWACHSEN WERDE!

Muss ich jetzt halt auf Networking Veranstaltungen über Kinofilme reden. Wobei... vielleicht lieber doch nicht. (Der letzte X-Men war übrigens viel besser als der letzte!)


Und ihr? Geht jetzt bitte die gesammelten Werke von Stefan Zweig auf euren Kindle laden. Die gibt’s bei Amazon für 99 Cent! Was ein geniales Schnäppchen wäre, wenn ich die Datei in den letzten Monaten mal geöffnet hätte.

Alternativ könnt ihr es aber auch so halten wie ich und alle vier der folgenden Werke von E. Lockhart innerhalb von drei Tagen verschlingen.


We were Liars



„Welcome, once again, to the beautiful Sinclair family. We believe in Outdoor exercise. We believe time heals. We believe, although we will not say so explicitly, in prescription drugs and the cocktail hour.“


Eine mir vorher noch unbekannte Autorin, gekauft auf Basis eines Amazon Deals. Scheinbar gab es damals einen großen Hype um dieses Buch, in dessen Folge dann einige Leser enttäuscht waren. Ich hab den Hype natürlich wieder verpasst und war entzückt. Vom wundervollen, wundervollen Schreibstil der Autorin, ihrer Art mit Poesie und Märchen zu spielen und vom Unterhaltungswert des ganzen Buches, denn ich habe mich schon länger nicht mehr so schnell so tief festgelesen. Von der Geschichte über eine reiche Familie voller Abgründe über die niemand spricht, deren Teeniekinder die Schnauze voll haben von den Lügen ihrer Altvorderen.  Nach ca. einem Drittel der Story habe ich das Ende geahnt, was mich aber nicht gestört hat.


„My head and shoulders melted first, followed by my hips and knees. Before long I was a puddle, soaking into the pretty cotton prints. I drenched the quilt she never finished, rusted the metal parts of her sewing machine. I was pure liquid loss, then, for an hour or two. My grandmother, my grandmother. Gone forever, though I could still smell her Chanel perfume on the fabrics.“


How to be bad




"I'm not mad at you, Vicks. I'm just... mad at myself."
"For what?"
Mel sighs. "For thinking you were my friend. For trusting you."
"Don't give me that," I snap. "That's the most backhanded bullshit insult I ever heard."

Die Stimmung im Vergleich zum ersten Buch könnte nicht unterschiedlicher sein. Drei verschiedene Autorinnen, die drei verschiedenen Charakteren ihre Stimmen verleihen. Drei Mädels, die in einem Schnellimbiss arbeiten, ein Roadtrip, ein Alligator, eine Ente. Die religiöse Jesse flieht vor der Krebs-Diagnose ihrer Mutter, die coole Vicks vor den Problemen mit ihrem Freund und die unsichere Mel vor sich selbst. Das Buch macht einen Riesenspass, mit humorsprühenden Dialogen und absurden Situationen. Die Autorinnen schaffen es, eine liebevolle, authentische Freundschaft darzustellen und ganz nebenbei ein paar Vorurteilen über Reichtum, Armut und Religiosität die Stirn zu bieten. Mein Lieblingsmoment ist, als Jesse, die in einem Trailer lebt, das erste mal in die Luxus-Suite eines Hotels eincheckt. Ich bin förmlich mit auf den Betten gehopst!
"Well. We are alive, we are here. We are badass. We have a duckling."

The disreputable history of Frankie Landau-Banks


Ausnahmsweise ist das deutsche Cover hier wirklich mal ein Highlight!

"Frankie was curvy, lithe, and possessed of enough oomph to stop teenage boys in the street when they passed her. But if we are to accurately chronicle Frankie's transformation and so-called misbehaviour in these pages, it is important to note that her physical maturation was not, at first, accompanied by similar mental developments."

Wieder ein ganz anderes Buch als die beiden oben, ein ganz anderer Stil, ein anderer Ton. E. Lockhart hat mit diesem Roman diverse Preise gewonnen und das zu Recht, denn der omnipräsente Erzähler verleiht dem Ganzen eine besondere Note. Man identifiziert sich nicht direkt mit der Titelheldin Frankie, sondern schaut ihr rückblickend bei ihren Abenteuern zu, wobei es den Eindruck macht, als würde der ironisch angehauchte Erzähler stellenweise eine Augenbraue hochziehen.  Frankie ist die pfiffige Tochter einer reichen Familie und Teil eines elitären Schulsystems, welches die zukünftige Führungsriege ausbildet. Während Frankie scheinbar alle Türen offen stehen, muss sie erkennen, dass sie immer noch ein Problem hat: als Mädchen bleibt ihr der Zutritt zum wichtigsten aller Clubs verwehrt; den Basset Hounds. Doch  das lässt sie sich nicht bieten. 
Dieses Buch greift subtil und clever eine ganze Menge große Themen auf (Feminismus, Macht, Beziehungen, Unterdrückung und die seltsame Definition, die wir oft von Liebe haben...). Während ich die Sprache teilweise etwas bemüht fand, hat mir die aussergewöhnliche Sichtweise tatsächlich den ein oder anderen Aha-Moment beschert.
"He wasn't curious about her family. He expected her to become part of his life, but he didn't become part of hers. Lots of girls don't notice when they are in this situation. They are so focused on their boyfriends that they don't remember they had a life at all before their romances."

Die Ruby Oliver Serie



"Don't jump all over me ’cause Jackson broke up with you,” she said. “It’s not my fault.” 
“It’s your fault I have to think about the two of them naked,” I yelled. “Just leave me off your penis information list from now on.” 
“Fine,” she snapped. “You can be sure I will.” She turned and went into the gym. I felt like an asshole. But hey: My heart rate was normal, and my lungs felt free and clear. I took a deep breath.

Von den vier Büchern ist das Ruby Oliver Quartett auf die jüngsten Leser ausgerichtet. War klar, dass es mir am besten gefallen hat, ne? Vielleicht weil Ruby es dem Leser so irre schmackhaft macht, ENDLICH KEIN TEENIE MEHR ZU SEIN! Man, war das anstrengend mit 15. Die Katastrophen in die Ruby stolpert - ihr Freund verlässt sie für ihre beste Freundin, die daraufhin einen Zickenkrieg beginnt, in dessen Folge Ruby im Wesentlichen als sozial ausgestossener Therapiefall endet - sind allerdings dermaßen brüllend komisch verpackt, dass man sie nur lieben kann...
es sei denn, man hasst sie. (Die Goodreads Reviews sprechen Bände). 
"There was kissing in those movie stills. A lot of kissing. But none of it looked like anything real. And yes, “real” was what I had just said I wanted. But now, fake and glam was looking a lot better than anything that was ever going to actually happen to me. Fuck it. "



3 Kommentare:

  1. Ich finde ja, dass man sich nie zu alt für Jugendbücher fühlen muss, solange man Freude daran findet.
    Alice Munro habe ich übrigens sehr gern gelesen (kann ich empfehlen!) und könnte trotzdem nix zur grundlegenden Skepsis gegenüber der Repräsentation in ihren Werken sagen.

    "We Were Liars" hab ich auch genial gefunden. Und anders als bei gefühlt 95% aller Jugendbücher hab ich hier noch nicht mal das Ende geahnt.

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  2. Pff, man ist nie zu alt für Bücher, die einem Spaß machen. Außerdem bin ich der Meinung, man sollte Menschen meiden, die nur Bücher lesen, um dann wichtig darüber zu schwafeln. ;)

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  3. "How to be bad" <3 mein Lieblingsbuch <3

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