Mittwoch, 4. September 2013

Ich ertrage dieses Kind keine Sekunde länger! (Rezension Alice im Wunderland)

Alice im Wunderland von Lewis Carroll, 1863
Uuuuund- durch! Man entferne nun bitte dieses nervige, nervige Kind von mir. Dafür dass das Buch so kurz ist, habe ich erstaunlich lange gebraucht, um mich da durchzuhangeln. 

Es ist ja nun, verehrter Leser, nicht so als würde ich die Geschichte nicht kennen.

Mitnichten.
Ich kenne sie viel. zu. gut.

Alice im Wunderland fand ich schon als Kind in der Disney Zeichentrick-Version anstrengend, es gab lauter Charaktere, die mir irgendwie Angst gemacht haben und besonders nett fand ich es im Wunderland auch nie. Trotzdem lief der Film jedes Jahr zur Osterzeit im Fernsehen und das sogar, obwohl wir gar kein Kabel hatten. Nun, watt soll dat Kind da machen, bei nur drei Programmen is ja nich mehr so viel Auswahl. 

Jahre später, im Jahr 2010 um genau zu sein, schaffte es aber der grandiose Tim Burton doch noch, mich für die Geschichte zu begeistern. Den Film fand ich, wie eigentlich alles von Burton, wundervoll abgedreht und spektakulär inszeniert. Die Geschichte hat bei der Macht der Bilder auch gar nicht so eine große Rolle gespielt. Und sowieso. Johnny Depp. Punkt.


In Anbetracht des Obigen - man entschuldige den snobistischen Ausdrucksstil, ich hab heute einen etwas hochgestochenen Tag, muss am Wunderland liegen - fühlte ich mich nie besonders geneigt, das Buch auch tatsächlich zu lesen. Aber ihr wisst ja, wie das ist: Die Challenge rief (tatsächlich schrie sie schon ziemlich laut) und die Geschichte hatte ich eh schon längst in die Kindle App geladen.

Willkommen auf dem Drogentrip

Und nun traue ich mich garnicht so richtig, noch viel weiterzuschreiben, denn schließlich ist Lewis Caroll - der gute Mann war nicht nur Schriftsteller sondern auch Mathematiker, Fotograf und Diakon - ja wirklich ziemlich berühmt und beliebt und sein Stil hat nicht nur Schriftsteller, sondern auch Künstler, Wissenschaftler und die Musik beeinflusst. Unter anderem diente das Buch als Grundlage für einen meiner absoluten Lieblingssongs: "White Rabbit" von Jefferson Airplane. Nehmen wir uns dafür doch kurz eine Minute Zeit, bevor es ans Eingemachte geht.



When the men on the chessboard
Get up and tell you where to go

And you've just had some kind of mushroom
And your mind is moving low
Go ask Alice
I think she'll know.



Wie Jefferson Airplane ganz richtig erkannt hat, ist es fast unmöglich, während des Lesens nicht an bewusstseinserweiternde Drogen zu denken. Angeblich ist das Buch so entstanden, dass Charles Lewis auf einer Bootsfahrt auf der Themse der Schwester eines Freundes (namens Alice Liddell) eine Geschichte erzählt hat, die diese ihn dann bat aufzuschreiben. Und das klingt auch erstmal sehr logisch, bedeutet aber bei genauerem Nachdenken trotzdem nicht, dass der Mann sich nicht beim Aufschreiben die ein oder andere Substanz zugeführt hat (Und vor knapp 150 Jahren war das ja auch alles noch schnuckelig auf Rezept erhältlich, da gab's ja gegen Zahnschmerzen auch Kokaintabletten.) Von daher: Wer weiss. Für mich war das Lesen des kompletten Buches jedenfalls definitiv mit einem Drogenrausch vergleichbar, in den sich irgendwie ein ziemlich anstrengendes kleines Mädchen geschmuggelt hatte. 

Alice - du bist 'ne doofe Nuss.

Dafür, dass Alice eigentlich ein gewitztes Ding ist und dem Autor offensichtlich auch am Herzen lag, ist sie mir ganz schön auf den Keks gegangen. Also nicht, dass die die anderen Charaktere hier besonders liebenswert wären, aber Alice hat mich mit ihrer ständigen Größer- und Kleiner-Werderei ganz bekloppt gemacht. Die anderen können ja wenigstens singen oder niesen, oder unsichtbar werden oder jemandem den Kopf abschlagen - Alice kann nur hilflos wachsen und schrumpen. Und wachsen. Und schrumpfen. Und wachsen. Und Schrumpfen. DANN ISS DOCH DEN SCHEIßPILZ NICHT!!! Du weisst doch mittlerweile, wo das hinführt. Meine Güte nochmal.

Aber nicht nur ihre Größeneskapaden sind ein wenig ausgeufert, ich fand auch, dass die junge Dame nun wirklich leider nicht besonders helle ist. Gut, dass auch alle anderen Kreaturen, die sie im Wunderland trifft , ganz ordentlich einen Knacks weghaben. Ihr kennt zum Beispiel bestimmt noch diese Genossen hier:



Und was bei Disney ja alles noch irgendwie charmant rüberkommt (vor allem mit der typischen Musik) fand ich im Buch irgendwann nur noch anstrengend. Ich bin durchaus bereit, anzuerkennen, dass dem Ganzen Buch ein sehr feiner Humor zugrunde liegt und eine Ironie, die ich stellenweise auch genossen habe. Wenn ich mich dann aber Absätze lang durch richtig anstrengend blöde Lieder über SUPPE quälen muss (siehe Screenshot) dann frage ich mich doch ernsthaft, ob der gute Herr Carroll sich nicht insgeheim einen Ast gelacht hat, über die Deppen, die seine mentalen Ergüsse auch noch bis zum Ende lesen.


Man möge mir den Kopf abschlagen, aber ich war selten so froh ein Buch endlich zur Seite legen zu können.

11 Kommentare:

  1. Hihihi.
    Also ich mag das Buch, kann aber nachvollziehen, dass es sicher nicht jedermanns Fall ist.
    Den Tim Burton-Film fand ich absolut furchtbar, weil es einfach ein platter, einfallsloser Fantasyfilm mit 0815-Handlung (die prophezeite Retterin und der Kampf gegen die böse Kreatur) geworden ist.
    Dagegen liebe ich ja die Verfilmung mit Tina Majorino, aber die ist in Handlung und Atmosphäre so nah am Buch, dass ich sie dir wohl lieber nicht empfehle. ;-)

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    1. ggg* ich glaube wir können mittlerweile zuverlässig davon ausgehen, dass wir jeweils die Bücher lesen sollten, die der andere nicht mag. :p

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    2. Wir sind uns immerhin einig bei Herr der Ringe und Harry Potter! *gg*

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  2. Ich habe das Buch schon als Kind in einer deutschen Hörversion rauf- und runtergehört. Als ich dann vor einiger Zeit ein ungekürztes englisches Hörbuch hörte, war ich erstaunt, wie werksgetreu meine deutsche Fassung damals war. Streckenweise hätte ich (fast) mitsprechen können.

    Anyway: Als englisches Hörbuch hat's mir sehr gut gefallen, aber ich finde, dass grad bei solchen Büchern das "Erzähltbekommen" viel ausmacht. Und der schöne britische Akzent. :-)

    Bei der Burton-Verfilmung ging's mir ein bisschen wie Neyasha, denn da war mir auch zu wenig von der "echten" Alice drin. Aber da ich Burton sehr gern mag (und Johnny Depp sowieso *ggg*), habe ich ihm das verziehen.

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  3. An Alice habe ich schöne Kindheitserinnerungen - das hat mein großer Bruder mir mal vorgelesen. Vor dem "Hobbit" und den "Dreizehneinhalb Leben des Käpt'n Blaubär" (das ist dann allerdings endgültig keine Kindheitserinnerung mehr, da war ich schon Jugendliche). Und ich fand es toll - man darf allerdings keine wirkliche Handlung erwarten. Das ist einfach nur schräg und sinnlos, und an das Suppengesinge kann ich mich noch gut erinnern, das fand ich besonders herrlich. Neben der Grinsekatze.

    Den Burton-Film habe ich nicht gesehen - wenn ich mir den Trailer angucke, weiß ich auch wieder, warum nicht. Die Weltenrettungsgeschichte passt nicht zu Alice, und der Hutmacher und Johnny Depp geht für mich einfach überhaupt nicht zusammen. Vor allem, wenn der dann auch noch gruseliges Makeup kriegt. Warum überhaupt? Der Hutmacher ist einfach nur verrückt, kein Alien! So! ;-)
    Den Disney-Film kenne ich übrigens auch nicht. Der war mir nun wiederum immer zu süßlich. Mir kann man's eben nicht recht machen. ;-)

    Ich müsste das unbedingt auch nochmal lesen und gucken, ob es mir immer noch gefällt oder ob es mir geht wie dir, wenn ich es nicht mit unter 15 vorgelesen bekomme ...

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    1. Dann würde dir vielleicht auch die Verfilmung von 1999 gefallen, die fängt die Stimmung des Buches wirklich sehr gut ein und hat auch gerade die richtige Portion Schrägheit.
      Ich meine mich zu erinnern, dass auch einiges von "Hinter den Spiegeln" darin ist, aber es ist auf alle Fälle keine Weltrettungsgeschichte und es ist auch nicht Disney-süßlich. :-)

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  4. Ich habe mir die Alice erst vor kurzem auf den Kindle gepackt. Ich habe es vor 10 (oder 15?) Jahren mal versucht, aber entnervt abgebrochen. Jetzt wollte ich es mal wieder testen...

    Den Trailer fand ich übrigens sehr cool - ein Zeichen dafür, das ich das Buch grauenvoll finden werde?

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  5. Alice ging mir auch auf den Keks, aber das Buch an sich fand ich ganz ok. Wir gucken einfach nur noch Tim Burton. Angeblich soll es ja irgendwann einen zweiten Alice-Film geben!

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  6. haha :D eine sehr lustige Rezension :D ich mag deine Art zu schreiben sehr, sehr gerne :)

    http://alenchens-buecherkiste.blogspot.de/

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  7. Hihi - ich scheine eine Schwäche für Bücher zu haben, die von Autoren geschrieben wurden, die etwas eingeworfen hatten. ;) Wobei ich auch zugeben muss, dass ich bei dem einen oder anderen Reread schon mal die Lieder überspringe, wenn ich nicht in der Stimmung dafür bin oder einfach bestimmte Szenen wiedersehen möchte.

    (Irgendwie würde ich jetzt gern wissen, was du zu "Schmetterlingskind" von Chester Anderson zu sagen hättest ... *g*)

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  8. Das sich die Alice-Buch-Liebhaber und die Burton-Version-Liebhaber entzweien ist hier ja schön zu beobachten :) Ich gehöre ja eher zu ersteren Fraktion (muss das Buch aber nach Jahren echt wieder einmal lesen), aber kann durchaus verstehen, dass es nerven kann... Was ich an Carroll so mag ist eben seine düstere Seite - dieses Geschrumpfe und Gewachse, dass einen so verrückt und hilflos macht zum Beispiel. Vielleicht probierst du mal seine Briefe an kleine Mädchen um dich wieder mit ihm auszusöhnen. Die sind wirklich toll! Lg, Antonia

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