Sonntag, 29. April 2012

[Classic-Challenge] 1984 von George Orwell - Big Brother is watching you!

Big Brother is watching you! Schonmal gehört? Keine Ahnung gehabt, dass der Spruch nicht von der Fernsehserie stammt? Mehr Klassiker lesen! Oder beim nächsten Mal eine Klassiker-Challenge mitmachen, so wie die von Lynie. Wahlweise dürft ihr aber auch gerne mit mir zusammen die BBC-Liste der 100 most-loved Novels lesen, da kommt man um den ein oder anderen Klassiker auch nicht drum rum. Besonders aber: Lest dieses Buch, das so wichtig ist, dass es auf Wikipedia sogar einen Artikel auf Esperanto darüber gibt!

Zur Story
Man schreibt das Jahr 1984, nach einem atomaren Weltkrieg wurde die Erde unter den drei Supermächten Ozeanien, Eurasien und Ostasien aufgeteilt. Alle drei haben sich mittlerweile zu totalitären Diktaturen gemausert, die auf einem pervertierten sozialistischen Grundgedanken aufbauen. Zwei der Mächte befinden sich regelmäßig im Krieg, so dass die Bevölkerung konstant unter Versorgungsnot leidet. Wir begleiten einen Anwohner des Staates Ozeanien bei seiner Suche nach etwas Privatsphäre in einem 24/7 Überwachungsstaat. Winston Smith ist Ende 30, ein einfaches Parteimitglied und hat sich gerade verbotenerweise ein Tagebuch zugelegt. Als er beginnt, seine Gedanken darin festzuhalten (ein Verbrechen, das für sich allein genommen schon mit der Todesstrafe geahndet wird), ändert sich sein Leben auf einmal schlagartig und er lernt sogar eine Frau kennen, die seinen Freiheitsdrang nachempfinden kann. Die beiden schaffen es, für wenige Stunden im Monat den riesigen Bildschirmen zu entkommen, die in jedem Haus, in jedem Zimmer präsent sind und auf denen jede ihrer Worte und Bewegungen direkt an die Gedankenpolizei übertragen werden. Beide Wissen, dass sie nur eine begrenzte Zeit haben, bis sie schließlich wahrscheinlich doch erwischt, gefoltert und von der Regierung "eliminiert" werden.

Meine Meinung
Bei Ersterscheinen des Buches spielte die Geschichte noch 35 Jahre in der Zukunft - im Jahr 1984. Dieses Jahr liegt nun schon eine Weile zurück und Orwells Dystopie hat sich dankenswerterweise für die Leser dieses Blogs nicht erfüllt. Wir haben nie in einer Diktatur mit 24 stündiger staatlicher Überwachung, Gehirnwäsche und mehr oder weniger geheimen Exekutionen gelebt. (Wären wir 70 Jahre früher geboren worden, müsste dieser Satz leider bedeutend anders aussehen.) Das es uns so gut geht, heißt nicht, das das Buch nicht immer noch erschreckend brisant ist, wenn man den Blick ein bisschen über den Tellerrand herausschweifen lässt. Es geht um Krieg, es geht um Hass, es geht um Gehirnwäsche. (Gehirnwäsche? Moment, dann können wir Deutschland da leider doch nicht ganz ausnehmen. Hallo Bildzeitung!*) Der ganze Roman hat nur knapp 250 Seiten, aber es sind so viele hochintelligente, tiefgründige Ideen darin, dass ich unmöglich alles in dieser Rezension abdecken kann, was ich gerne besprechen würde. Ich werde deswegen ein paar Punkte herauspicken, die sich mir am deutlichsten eingeprägt haben. (Ich hab das Buch schon letzte Woche beendet, aber musste es erst mal sacken lassen.) Auf Youtube gibt es leider keinen offiziellen deutschen Trailer für den Film aus dem Jahr 1984, aber dieser Fanmade Trailer gibt die Stimmung des Buches ganz gut wieder.



Gibt es eine Vergangenheit, wenn sich niemand an sie erinnert?
Winston arbeitet im Ministerium für Wahrheit, in dem sich die Menschen damit beschäftigen, alle Medien so anzupassen, dass die Partei immer die Wahrheit sagt. Das bedeutet, wenn vor zwei Monaten die Partei behauptet hat, es würde nie zu einem Krieg mit Eurasien kommen und dieses Ereignis tritt dann doch ein - dann werden in ganz Ozeanien alle Medien eingesammelt die in der Vergangenheit die Wahrheit geschrieben haben und werden angepasst. Damit wird die Vergangenheit, soweit sie auf Papier existiert, geändert oder ausgelöscht. In Ozeanien sind die Menschen so gut darin trainiert, diese Unstimmigkeiten zu ignorieren, das es zu jeder Zeit nur diejenige Vergangenheit gegeben hat, die sich in den Medien befindet. Wenn also Ozeanien gerade einen Krieg mit Eurasien angefangen hat, dann hat dieser Krieg schon immer bestanden und Eurasien war schon immer und wird auch für immer der Feind bleiben. Wer etwas anderes behauptet, macht sich strafbar. Die Menschen hier müssen die Technik "Doppeldenk" beherrschen, in der es notwendig ist, alles was die Partei behauptet nicht nur zu sagen, sondern auch zu glauben. Für jemanden, der 100 Jahre später in allen Zeitungen dieser Zeit das gleiche liest, für den wird eine erfundene Vergangenheit genauso real wie jedes reale Ereignis. Was also passiert mit der Vergangenheit, wenn sie schwarz auf weiß in allen Medien und gleichzeitig in allen Köpfen aufgehört hat zu existieren und durch etwas anderes ersetzt wurde?

Was passiert mit unseren Gedanken, wenn wir keine Wörter mehr dafür haben?
Ein Thema, dass mich schon damals im Deutsch LK nicht mehr losgelassen hat, ist die Frage, wie Sprache das Denken bestimmt. Kann jemand, der kein Wort für "Hass" hat, dem damit das ganze Konstrukt Hass völlig unbekannt ist, mit der gleichen Leidenschaft hassen wie jemand, dem es von klein auf anerzogen wurde, bestimmte Dinge zu hassen? In Ozeanien beantwortet mann diese Frage mit nein und hat deswegen eine neue Sprache eingeführt: "Neusprech". In Neusprech gibt es nur so viele Wörter wie unbedingt notwendig, mit dem Hintergedanken, dass man tiefgehendes, schattiertes Denken unterbinden kann, wenn man den Menschen weniger Wörter zur Verfügung stellt. "Gedankenverbrechen" gegen die Partei sollen damit fast unmöglich gemacht werden. In Neusprech gibt es zum Beispiel keine Gegensatzwörter mehr. Aus "gut", "sehr gut" und "schlecht" wird "gut", "doppelgut" und "ungut". Damit kann man höchstens noch sagen "Die Partei ist ungut", aber für jeden weitergehenden Gedanken würde das Vokabular fehlen. Und das ist der eigentlich faszinierende Gedanke: Wenn wir keine  Wörter mehr haben um unsere Gedanken darin einzupacken - was bleibt dann noch außer einem dumpfen Gefühl im Bauch, das irgendetwas nicht stimmt?

Ich hab noch so viel mehr Gedanken und Fragen zu diesem Buch, aber wenn ich nicht bis nach Timbuktu rezensieren möchte, muss ich jetzt hier Schluss machen. Ich würde mich aber freuen, wenn ihr mir, nachdem ihr das Buch gelesen habt, (oder auch gerne davor) eure Gedanken zum Buch oder zu meinen letzten Fragen schickt, oder zu den folgenden:

  • Wann verrät man einen geliebten Menschen?
  • Kann man jedes Kind dazu bringen, seine Eltern zu verraten?
  • Wie kann man so machthungrig sein, dass man eine Welt ohne Liebe hinnimmt und sogar begrüßt, nur um seine Macht zu festigen?

Fazit
Lesen.
Ernsthaft.

Nie wieder Krieg!
Ich habe euch hier eine Dokumentation über George Orwell herausgesucht, ab Minute 50 geht es um 1984, ansonsten um Orwells Vergangenheit (er ist direkt nach Veröffentlichung des Romans gestorben). Und, meine Güte, der Mann hatte kein einfaches Leben! "Ich schreibe während über mir hochzivilisierte Menschen versuchen, mich umzubringen. Die meisten von ihnen würden nicht im Traum darauf kommen, einen Mord im privaten Leben zu begehen. Auf der anderen Seite, wenn es einem von Ihnen gelingt, mich mit einer gut platzierten Bombe in Stücke zu reißen, wird er deswegen kaum schlechter schlafen." Lasst uns froh sein, dass wir in einer Zeit und Zone leben, in der Krieg und Diktatur nur noch eine Erinnerung sind. Und dafür arbeiten, dass es so bleibt!




* Zum Abschluss möchte ich heute gerne einen speziellen Gruß an die Redaktion der Bildzeitung schicken, die es letzten Monat schon wieder geschafft hat, eine Studie zur Immigrantenintegration so gehörig zu verfälschen, dass sich damit mal wieder ordentlich Hass und Vorurteile erzeugen lassen. Aber dazu ist die Bild ja schließlich da. Eine Zeitung, die direkt aus dem Jahr 1984 zu stammen scheint.

Montag, 23. April 2012

[Themen-Challenge:Tod] 22.) Mort von Terry Pratchett

Lezek blinked.
"Didn´t see you there for a minute," he said. "Sorry, mind must have been elsewhere."
I WAS OFFERING YOUR BOY A POSITION, said Death. 
"What was your job again?" said Lezek, talking to a black-robed skeleton without showing even a flicker of surprise.
I USHER SOULS INTO THE NEXT WORLD, said Death.
"Ah", said Lezek, "of course, sorry. Should have guessed from the clothes. Very necessary work, very steady. Established business?"
I HAVE BEEN GOING ON FOR SOME TIME, YES, said Death.

Dies ist mein fünfter Beitrag zu Neyashas Themen-Challenge zu "Liebe, Tod und Ehre" und zwar zum Thema "Tod". Ausserdem steht das Werk auf der 100Buecher-Liste der "Best-loved Novels of all time" der BBC und zwar auf Platz 65.

 In meinem fünten Beitrag zu Neyashas Challenge habe ich das Thema Tod jetzt einfach mal wörtlich genommen. Der Tod spielt nämlich die Hauptrolle in diesem Buch und ist, erstaunlicherweise, ein sehr sympathischer Typ. Was aber noch viel unerwarteter kam: Das Buch ist brilliant! Nachdem ich meinen letzten Versuch Terry Pratchett zu lesen völlig entnervt aufgegeben habe, kam das als ein ziemlicher Schock.

Zur Story
Mort ist 16 Jahre alt, verträumt und ein bisschen vertrottelt und aller Beschreibung nach ein typischer Teenager: "Sein Körper schien nur geringfügig unter seiner Kontrolle zu sein und sah aus, als bestehe er aus Knien." Für die Arbeit auf der Farm seines Vaters ist er nach allgemeiner Abstimmung abolut nicht geeignet und so trifft es sich gut, dass er an jemanden gerät, der gerade auf der Suche nach einem Assistenten ist. Den Tod. Nach einer Eingewöhnungszeit macht Mort seine Sache schließlich so gut, dass der Tod ihm zutraut, alleine loszuziehen und Seelen einzusammeln. Das funktioniert so lange, bis Mort seine menschlichen Gefühle in die Queere kommen: Er rettet eine Prinzessin deren Zeit eigentlich abgelaufen war und bringt so das ganze Universum durcheinander. Unglücklichweise steckt auch sein Meister gerade in einer Sinnkrise. Statt den ganzen Schlamassel wieder in Ordnung zu bringen, will der Tod lieber Koch werden.

Meine Meinung
Okay, ich weiss gar nicht wie ich ausdrücken soll, wie überrascht ich bin. Aber ich bin SO überrascht! Nach dem "Farbe der Magie"-Krampf, der mich mit einer tiefen Verzweiflung über die restlichen vier Terry Pratchett Bücher auf der Liste erfüllt hat - schließlich habe ich mir nunmal vorgenommen zumindest zu versuchen, die komplette Liste zu lesen! - bin ich jetzt wieder guten Mutes. Die Geschichte über Mort ist clever, charmant, liebenswert und einfach gnadenlos witzig. Alle Dinge, die mich an "Die Farbe der Magie" so genervt haben, die dauernden Abschweifungen, die Absätze langen Witze, die nervigen Charaktere - keine Spur davon in Mort. Es gab zwar immer noch Abschweifungen die mich genervt hätten - wären sie nicht diesmal nur als Fußnoten aufgetreten. So konnte ich sie also gepflegt überlesen und mich an dem Genie der Geschichte freuen. Ja, Genie! Ich bin euphorisch! Das könnte daran liegen, dass ich von diesem Buch einfach nichts erwartet habe, es sogar gefürchtet habe - aber ich bin mir sicher, dass zumindest ein Teil der Euphorie gerechtfertigt ist.

Zum einen liegt das am Tod. Der war ja schon im letzten Buch unter den einzigen Dingen, die mir gefallen haben und hier spielt er die Hauptrolle. Und der Tod sieht zwar so aus, wie man sich das gemeinhin vorstellt (Skelett, schwarze Kutte, Sense, außerdem spricht er nicht laut, sondern seine Worte kommen im Gehirn an, ohne die Ohren zu benutzen), ist aber eigentlich ein liebenswertes Schnuckelchen. Wenn er auch nicht wirklich Mitgefühl mit den Menschen zeigt, deren Seelen er abholt (für das Umbringen ist er NICHT zuständig!) so liebt er doch Katzen, Curry und seine Adoptivtochter Ysabell. Ysabell ist insgeheim auch der Grund, warum er Mort angestellt hat.

HAVE YOU MET MY DAUGHTER? Death said.
"Er, yes Sir." said Mort, his hand on the doorknob.
SHE IS A VERY PLEASENT GIRL said Death AND OF COURSE ONE DAY, THIS WILL ALL BELONG TO HER!
Something like a small blue supernove flared for a moment in the depths of his eyesocket. It dawned on Mort that, with some embarassement and complete lack of expertise, Death was trying to blink.

Mein Lieblings Pratchett Charakter! (Bild von http://www.intermission.nu/tag/terry-pratchett/)
Es macht einen Riesenspaß diesen gutmütigen, naiven und leicht verschämten Tod durch seine Mitlife-Crysis zu begleiten. Während er das tut, richtet Mort allerdings einen Riesenschlamassel an und bringt mal eben die Weltordnung durcheinander. Das geht natürlich nicht, denn schließlich ist es vorherbestimmt wer wann und wo stirbt. Pratchett hat da so seine eigenen Theorien zu Schicksal, Vorherbestimmung und Sterblichkeit und diesen haftet bei aller Ironie immer auch ein Hauch Genialität mit an. Zum Beispiel kommen nach dem Tod alle Menschen dort hin, wo sie erwarten hinzukommen. Wie Mort bemerkt ist das zwar unfair, denn so kommen auch die Bösen in den Himmel, wenn sie das erwarten, aber der Tod winkt ab: "Es gibt keine Fairness. Es gibt nur mich." Hm. Und wenn jemand erwartet wiedergeboren zu werden, dann wird er das auch, wie Mort bei seinem Besuch in einem Mönchkloster feststellt:

"Don´t rush off" said the abbot. "I always look forward to these talks. What´s happened to the usual fellow?"
"Usual fellow?" said Mort bewildered.
"Tall chap, black cloak. Doesn´t get enough to eat, by the look of him."
"Usual fellow? You mean Death?", said Mort
"That´s him!" said the abbot cheerfully. Mort´s mouth hung open.
"Die a lot, do you?" he managed.

Ich hab nicht nur einmal laut herausgekichert. Und ich saß in einem Zug! Abgesehen davon, dass die Charaktere liebenwert und der Erzählstil lustig ist, ist die Geschichte auch einfach gut. Wir verbringen dieses Mal netterweise kaum Zeit in der Stadt Ankh-Morpork, die mich - Sorry Pratchett Fanatiker! - in diesem Buch immer noch genauso nervt, wie im letzten. Dafür spielt ein Großteil der Geschichte auf dem Rücken vom (buchstäblichen) Pferd des Todes. Sein Name ist Binky.

Ps: Warum bloß die bescheuerten Cover? Dieses Mal sind zumindest die Farben schön, aber die Figuren von Mort und dem Tod sind ja dramatisch hässlich.

Donnerstag, 19. April 2012

[TTT] Meine 10 liebsten Krimis


Das Thema des heutigen Top Ten Thursday, der wie immer von Alice im Bücherland gehostet wird, ist "meine liebsten Krimis". Da ich ein goßer Joy Fielding Fan bin, könnte das hier leicht einseitig werden. Ihr seid gewarnt.


 1. Joy Fielding: Lauf Jane, lauf
Blutbefleckt, die Taschen voller Geld und ohne Erinnerung an ihre Person oder Vergangenheit. So findet sich Jane eines Tages auf den Straßen Bostons wieder. Der Mann der sich als ihr Ehemann vorstellt ist überglücklich, sie wieder zu haben. Er verschreibt ihr strenge Ruhe und achtet darauf, dass Jane sich nicht verausgabt - für ihn bedeutet das, keinerlei Kontakt zur Außenwelt. Doch irgendwie scheinen die Pillen die er ihr gibt, alles noch schlimmer zu machen. Und wo ist Janes Tochter, an die sie sich zu erinnern glaubt?
Atemlose Spannung, einmal in die Hand genommen legt ihr das Buch bis zum Ende nicht mehr weg! Beklemmend und psycho, eindeutig eins von Joy Fieldings besten Werken.

2. Daphne du Maurier: Rebecca
Einer der wenigen Krimis auf meiner 100Bücher Liste, ist Rebecca mit Charakteren ausgestattet, die einem mit ihrem sinisteren Grusel die Fußnägel kringeln. Es geht um eine junge, schüchterne Frau, die einen Mann heiratet, dessen Frau Rebecca vor einiger Zeit umgekommen ist. Nur das diese Frau viel deutlicher auf dem alten Anwesen zu spüren ist, als es der jungen Braut lieb wäre. (Hier geht es zur Rezension *klick* und meinen Lieblingszitaten aus dem Buch *klick*)

3. Ken Follett - Der dritte Zwilling
Eine junge Professorin will erforschen ob kriminelle Neigungen anerzogen oder angeboren sind. Dafür sucht sie eineiige Zwillingspaare, die getrennt voneinander aufgewachsen sind und dessen einer Teil kriminell geworden ist. Die Lage spitzt sich allerdings zu, als einer ihrer Probanden ihre beste Freundin vergewaltigt. Zusätzlich scheint ihre Arbeit sabotiert zu werden, und zwar von Mächten, die weit einflussreicher sind, als die Professorin ahnen kann. 
Muss ich noch mal erwähnen, wie genial ich Ken Follett finde? Bei den meisten seiner Krimis muss ich da allerdings etwas zurückrudern, denn meist ist mir einfach wirklich zu viel Spionagekram dabei, auf den ich ja so gar nicht stehe. Aber der dritte Zwilling ist grandios und wird mit Sicherheit nicht langweilig. Außerdem bringt das Buch zum Nachdenken darüber, was sich bei den Mächtigen dieser Welt eigentlich so alles hinter verschlossenen Türen abspielt.

4. Karin Slaughter: Belladonna
Eine junge Kinderärztin findet eine ermordete Frau auf einer Gaststättentoilette, in ihrem Bauch zwei tiefe Schnitte, die ein Kreuz bilden. Kurze Zeit später wird in der kleinen Stadt eine Frau gekreuzigt. Der Verdacht auf einen sadistischen Serientäter macht sich breit. Auch wenn sich das Buch gelegentlich in medizinischen Beschreibungen versteigt und es relativ früh (zumindest für geübte Krimi-Leser) vorauszusehen ist, wer der Täter ist, fand ich diesen Krimi, oder besser Psycho-Thriller, verstörend und sehr spannend!

5. Stieg Larsson - Die Millenium Trilogie
Zu der Reihe um Liesbeth Salander und Mikael Blomqvist muss ich wohl nicht so viel sagen. Die Bücher sind nicht umsonst gleich zwei mal innerhalb einer kurzen Zeitspanne verfilmt worden. Was sich Hollywood dabei gedacht hat, erschließt sich mir nicht ganz, denn wenn man den Plot einmal kennt, verliert die Geschichte meiner Meinung nach deutlich an Spannung. Was natürlich nichts daran ändert, dass Daniel Craig nunmal einfach heiß ist...

Blomqvist und Salander (Quelle)
6. Joy Fielding: Nur wenn du mich liebst
Vier junge Frauen, allesamt Mütter von Kleinkindern, lernen sich in einem Vorort von Cincinatti kennen. Trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere werden sie Freundinnen. Als die schüchterne Chris mehr und mehr von ihrem Mann gequält wird, mischen sich die Freundinnen ein und auf einmal ist ihr Leben nicht mehr so heiter und sonnig wie es einmal schien. Dann geschieht das Unfassbare: Eine der Freundinnen wird bestialisch ermordet. 
Der Krimi steigert sich ganz langsam von wolkenlosen blauen Spielplatztagen zu trüben Familienkriegen und schließlich zu einem bedrohlichem, tiefdunklen Psychospiel. Ich habe in der Nacht das Licht angelassen!

7. Dan Brown: Illuminati
Illuminati habe ich verschlungen! auch wenn mich keine der Nachfolgerromane wirklich begeistern konnten, fand ich diesen ersten Krimi um Robert Langdon wirklich gelungen. Ich habe die ganze Nacht durchgelesen (und nach den ganzen Morden hätte ich eh nicht schlafen können) und war am Ende, wie alle anderen auch, ordentlich mit dem Geheimbund-Fieber identifiziert. 


Robert Langdon in Action. (Quelle)
8. Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker
Na komm, ein Klassiker muss auch mit rein. Zugegeben, dieser Krimi war Pflichtlektüre in der Schule und ich hätte ihn (grässliches Cover, unglaublich hässlich!) ansonsten niemals gelesen. Aber das nur etwa 120 Seiten dünne Büchlein hat es krimitechnisch echt in sich und beweist, dass Klassiker meist zu Recht zu Klassikern geworden sind.

9. Charlotte Link: Das Haus der Schwestern
Ein Familiendrama, in dem Hass, Schüchternheit und sture Traditionen zu unglücklichen und verbitterten Charakteren führen. Hat ein paar Längen aber einen grandiosen Schluss.Mit großen Abstand das beste Buch von Charlotte Link.

10. Joy Fielding: Sag Mami Goodbye
"Wenn du noch einmal fragst wo sie sind, lege ich auf. Du hast genau 60 Sekunden um zu fragen, wie es deinen Kindern geht." Donna geht es nach der Scheidung von ihrem fast schon psychoptahisch pedantischen Mann zum ersten Mal seit langem wieder gut. Bis dieser Mann ihre beiden Kinder entführt. Die deteillierten eingestreuten Rückblenden und Unterhaltungen beschrieben den Horror so hintergründig und tiefgehend, dass ich nach diesem Buch eine ganze Weile jedem männlichen Wesen gegenüber misstrauisch war. Gruselig und verdammt spannend!



Sonntag, 15. April 2012

Nationalstolz?!


Beautiful Germany: Köln (Quelle)
Am Donnerstag habe ich mit großer Wahrscheinlichkeit die letzte Studiumsklausur in meinem Leben geschrieben. Das musste natürlich gebührend gefeiert werden und gab es dann am Freitag eine legendäre Party, weil meine mexikanische Mitbewohnerin Geburtstag hatte. Wie die meisten von euch wissen, studiere ich in Holland und in einem ziemlich internationalen Umfeld. Ich wohne in einer 6er WG mit Leuten aus sechs verschiedenen Ländern und 3 verschiedenen Kontinenten, in einem Studentenwohnheim das für holländische Verhältnisse bezahlbar und für deutsche Verhältnisse sauteuer ist. Dafür ist es für ein Studentenwohnheim hier vergleichsweise sauber.(Im Gegensatz zu dem anderen Wohnheim hier haben wir keine Mäuse in der Küche!) Am Freitag ist diese Wohnung aus allen Nähten geplatzt, wir hatten so ziemliche alle Nationalitäten da die man sich vorstellen kann und eine ganze Menge Mexikaner. Es gab Tequila (ohne Zitrone!) und feurige Tänze und es war ein absolut erinnerungswürdiger Abend. Zwar wurden wir am Ende leider nicht mehr in die Disko gelassen (irgendwie war es plötzlich fünf Uhr, keine Ahnung wie das passiert ist!), aber der Abend war super. Und ich habe nun nicht zu knapp Einladungen, die Leute in ihren jeweiligen Ländern zu besuchen. "Da musst unbedingt kommen! Die Mexikaner/Schotten/Amerikaner/etc. sind sooo gastfreundlich/lustig/toll. Das Essen ist genial! Du wirst es lieben!"


Beautiful Germany: Neuschwanstein (Quelle)
Gestern Abend gab es dann die zweite Party an diesem Wochenende, wieder eine internationale Party, diesmal mit Amerikanern und Italienern in der Überzahl. Und auch hier wieder spürbare Begeisterung für das jeweilige Heimatland. Eigentlich für den jeweiligen Heimatstaat, denn North Carolina und Tennessee haben sich in der Beschreibung der Gastfreundlichkeit ihrer Heimatstätte überboten, während California und Vermont sich nicht einigen konnten, wo es nun am meisten "laid back" und "relaxed" ist. Ich war noch nie in irgendeinem Teil von Amerika und kann das also nicht beurteilen. Eine Sache aber ist mir gestern mit einem Schlag deutlich geworden. Alle Studenten auf den beiden Parties haben nur so gesprüht vor lauter Stolz auf ihr Heimatland - mit einer Ausnahme: die Deutschen. 


Beautiful Germany: Dresden (Quelle)
Kann sein, dass ich mit dieser Auffassung allein dastehe, aber ich habe das Gefühl, das wenn jemand aus Deutschland nach seiner Heimat gefragt wird, der Angesprochene relativ schnell das Thema wechselt. Ich habe sogar Freunde, die einfach sagen, sie kommen aus Schweden oder so (möglichst aus einem Land, dessen Sprache niemand spricht), um nicht in eine Diskussion verwickelt zu werden oder einen dummen Kommentar abzukriegen. Denn das passiert ziemlich oft. Ein Holländer wies ich mich vor einiger Zeit freundlich darauf hin, wie verständlich es sei, dass mir Rotterdam gefällt - "schließlich habt ihr Deutschen Rotterdam ja zu dem gemacht, was es ist." Ich war kurz verwirrt, denn ich war mir ziemlich sicher, dass ich nie an irgendeinem Designplan für Rotterdam mitgearbeitet habe. Erklärung folgte aber fix: "Na ihr habt doch hier alles zerbombt." Bäm. Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich habe noch nie eine Bombe irgendwohin geschmissen. Hab ich auch nicht vor. Es fühlte sich aber in dem Moment ein bisschen an, als hätte ich eine an den Kopf bekommen. Und - das ist mir wichtig - noch nicht mal in böser Absicht! Es war einfach nur ein dahin gesagter Kommentar von einem wirklich netten und unkompliziertem jungen Mann. Ich war nicht mal erschrocken, denn ich hab mich gefühlt, als hätte ich´s verdient. Und meiner Beobachtung nach halten es die meisten deutschen Studenten eher mit Bescheidenheit wenn es um ihr Heimatland geht. 

Beautiful Germany: Hamburg
(Meine Perle! Eins meiner Lieblingsfotos aus meiner Zeit in Hamburg.
Gott, ist das eine schöne Stadt!
Meine Reisen haben mir beigebracht, dass jedes Land seinen eigenen Charme hat. Spanien hat ein Wahnsinnsklima, Frankreich hat unglaublich gutes Essen, Holland ist voll von freundlichen, familienliebenden Menschen und man kann hier super wohnen. Und Deutschland? Meine lieben Leute. ich habe ein bisschen Angst davor es zu sagen, aber: DEUTSCHLAND IST AUCH TOLL!!! So. Es ist raus. Fast alle deutschen Studenten, die ich hier oder in anderen Ländern getroffen habe sind offen, tolerant und extrem interessiert an anderen Kulturen. Wir haben ein Land mit wunderschönen Wäldern und einer grandiosen Natur, die wir versuchen zu schützen. Unser Sozialsystem ist vielleicht nicht perfekt, aber doch eines der gerechtesten auf der Welt. Wir haben aus unseren Fehlern gelernt. Wir haben immer noch eine Menge ignorante Trottel im Land. Wir haben eine gruselige, verdammt angsteinflößende Vergangenheit, die wir (und kein anderes Land der Welt) JEMALS vergessen sollten! Wir haben Fehler gemacht, wir machen sie immer noch und ich habe nicht viel Hoffnung, dass wir in absehbarer Zeit absolut fehlerfrei handeln werden. Aber wir machen grad auch viel richtig. Freuen wir uns darüber! Lasst uns unsere Freunde nach Deutschland einladen. Je mehr desto besser. Und wir kommen zu ihnen. Die Generation International hat keinen Platz für Rassismus. Wir wissen, das jedes Land dieser Welt auf seine eigene Art wundervoll ist. Unseres auch.

Beautiful Germany: Bei Oma im Garten. 

Freitag, 6. April 2012

[Abgebrochen] 21.) Tess von den D´Urbervilles - Eine reine Frau (1891) oder "Depression auf Raten"

Tess of the DÚrbervilles
von Thomas Hardy (1891) (Quelle)
Nr. 26 auf der BBC-Liste der 100 beliebtesten Bücher aller Zeiten. 
Bwww. Nein. Ich kann nicht weiter. Ich habs mir echt nicht leicht gemacht und das Lesezeichen nun wirklich 3 Monate im Buch gelassen. Aber dann bin ich über diese Abbruch-Rezi von Ayanea gestolpert in der sie schreibt: " aber wozu das Ganze? Wem bringt das was?" Und recht hat sie! Ich breche das Buch nicht ab, weil ich den Schreibstil nicht mag, denn ich mag ihn sogar sehr. Thomas Hardy schreibt bildlich und poetisch und für seine Zeit sehr sinnlich. Ich breche das Buch auch nicht ab, weil ich die Zeit oder Umgebung in der es spielt nicht mag; English Countryside im 19. Jahrhundert ist eine meiner großen Lieben. Noch dazu von Hardy so wunderschön beschrieben, dass man jede Blüte, das frisch geerntete Heu und den Staub der Straße riechen kann. Kostprobe?
"Here in the valley, the world seems to be constructed upon a smaller and more delicate scale; the fields are mere paddocks, so reduced that from this height their hedgerows appear a network of dark green threads overspreading the paler green of the grass"
Ich breche auch nicht ab, weil mir die Hauptfigur unsympathisch ist, im Gegenteil. Tess Durbeyfield ist ein sympathisches, fröhliches, hübsches junges Mädchen, die trotz eines Trinkervaters und einer nicht besonders hellen Mutter immer ihre gute Laune behält und sich um ihre Geschwister kümmert. Eine ganz besonders tugendhafte Person also. Muss sie auch sein für den Fortgang der Geschichte. Und hier kommen wir zum Abbruchgrund.

BBC Verfilmung 2008. Tess noch unschuldig. (via)
"Tess of the D´Urbervilles - A pure Woman", eine "reine Frau", heißt das Buch im Original. Das hier ist keine Romanze, kein Unterhaltungsroman. Hardy benutzt seinen Charakter um knallharte Gesellschaftskritik an der viktorianischen Doppelmoral zu üben. So erschafft Hardy also dieses frische, liebenswerte Mädel - und lässt es schnurgerade ins Verderben rennen. Immer und immer und immer wieder. Was schon bei Erscheinen des Buches für verärgerte Kritiker sorgte: "Das Buch ist unmoralisch und pessimistisch!" ist heute leider noch immer verdammt pessimistisch. 

Zur Story: Das Elend bis Seite 100.
Nach einem Drittel des Buches musste das arme Mädel schon folgende Geschichte erleiden: Ausgestattet mit sehr armen Eltern, die es sich aber trotzdem nicht verkneifen können ab und an mal im Wirtshaus zu versacken, fungiert Tess als Erzieherin ihrer jüngeren Geschwister, hilft wo sie nur kann und ist zufrieden und glücklich mit ihrem Leben und beliebt bei allen, die sie kennen. Eines Abends erfährt der Vater, dass die Familie von einem alten Adelsgeschlecht, den D´Urbervilles abstammt. Es gibt im Dorf nur noch eine Familie mit diesem Namen. Nichtahnend, dass diese den Titel nur gekauft haben und eigentlich in keiner Weise mit ihnen verwandt sind, versuchen die Eltern Tess davon zu überzeugen mal da vorbeizugehen, so nach dem Motto: "Hallo, Erbe?" und einen hübschen Sohn hätten die ja auch, da könnte sich ja was ergeben. Das ist Tess verständlicherweise zu blöd. Leider (here we go) baut Tess kurz danach mit der Kutsche ihres Vaters einen Unfall und das Pferd stirbt. Damit ihre Familie nun nicht zugrunde geht sieht sich Tess gezwungen, nun doch bei ihren "Verwandten" vorbeizuschauen. Der Sohn der Familie ist zwar völlig im Klaren darüber, dass Tess ganz bestimmt nicht seine Verwandte ist, schaltet aber schnell und bietet der "Cousine" einen Job auf dem Hof an. Aufgrund der blumigen Sprache, die der Verfassungszeit geschuldet ist und nur Andeutungen zulässt, habe ich nicht ganz nachvollziehen können ob er sie schließlich verführt oder vergewaltigt. Wikipedia sagt vergewaltigt, anscheinend werden in einer späteren Szene noch Tess Schreie erwähnt. Jedenfalls ist Tess danach nicht mehr Jungfrau und er lässt sie sitzen.
Und das Unglück beginnt. Denn Tess wird natürlich vom ersten mal schwanger und kehrt "in Schande" in ihr Dorf zurück. Nachdem ihr Kind geboren ist, geht sie kaum noch aus dem Haus. Natürlich reicht es nicht, dass sie nun Thema Nummer eins des Dorfklatsches ist - denn nun stirbt auch noch ihr geliebtes Baby.


BBC Verfilmung 2008. In Schande.  (via)
Bis zur Hochzeit oder peng.
Und ganz ehrlich? Da hat es mir gereicht! Ich lebe schließlich nicht in der viktorianischen Zeit und mir ist es voll wumpe ob die Leute bis zur Hochzeit warten oder peng. Das das damals eine Katastrophe war und (selbst wenn es eine Vergewaltigung war) das Leben des Mädchens für immer zerstört, ist mit Sicherheit ein Grund für Kritik. Ich gebe Hardy da ganz Recht und finde, es geschah den damaligen Lesern ganz Recht einen geliebten Charakter dabei verfolgen zu müssen, wie ihm ein Unglück nach dem anderen geschieht. Wenn sie das traurig macht, sollen sie halt ihre Moralvorstellungen ändern. Aber ich doch nicht. Ich verurteile doch gar keinen! Quäl mich doch nicht so, Mensch! Das macht einfach keinen Spaß, wenn der Hauptcharakter keine andere Funktion hat als Pest und Schwefel auf ihr Haupt zu ergießen zu lassen. Und dann habe ich etwas getan, was ich nie machen würde, wenn ich mir nicht absolut sicher bin, dass ich abbreche: Ich hab bei Wikipedia das Ende der Geschichte in der Zusammenfassung gelesen. Ob ich nun abbreche weil ich den Rest der Geschichte schon kenne oder weil es nicht besser wird, verrate ich nicht. Könnt ihr gerne selber lesen. Viel Spaß.


Fazit
Mit Poesie und Sarkasmus geschriebene, trotzdem schrecklich deprimierende Gesellschaftskritik an der viktorianischen Doppelmoral, in der die eigentlich unschuldige Heldin immer und immer wieder für ihre "Sünden" büßen muss. 

Ps: Ich habe mir ein paar Ausschnitte der BBC Verfilmung angesehen, der Film scheint sehr gut zu sein. Ich verlinke hier aber keinen der (Fanmade) Trailer, sie scheinen ausnahmslos schrecklich zu spoilern. Will euch ja  nicht den Spaß (!) verderben.

* Bei den Abbildungen handelt es sich nicht um mein Eigentum.

Montag, 2. April 2012

[Literaturverfilmung] The Hunger Games


Girl on fire (Bildquelle)
GROßARTIG. Punkt.
Ich liebe, liebe, liebe ja die Bücher und ich hatte echt Panik, dass sie´s versauen. Aber...
Jeder der irgendwie an diesem Film beteiligt war, scheint einen guten Job gemacht zu haben. Nicht nur Jennifer Lawrence, dessen Schauspieltalent ich im ersten Anlauf völlig falsch eingeschätzt habe, sondern auch ALLE anderen. Jede Rolle war perfekt besetzt!

Okay, Luft holen, Mila! Was ist mir besonders in Erinnerung geblieben?
Erstmal muss ich sagen, dass ich eine sehr lebhafte Fantasie habe. Wenn ich ein Buch lese, kann ich mir normalerweise alles ganz genau vorstellen, Umgebung, Charaktere, Kostüme, etc. (Außer das Buch ist wirklich schlecht). Wenn ich dann die Verfilmung sehe, gefällt sie mir entweder oder nicht, dafür muss sie nicht mal besonders nahe an meine Vorstellung herankommen. Die Umgebung in Harry Potter war zum Beispiel echt gut gemacht, aber nicht meinen Vorstellungen entsprechend. Was aber eigentlich nie passiert ist, dass ich einen Film sehe und die Bilder darin meine Fantasiebilder überdecken. Hier schon. District 12 fand ich extrem gut gemacht - im Gegensatz zu jemandem, der sich beschwert hat, es wäre dort zu fröhlich, finde ich es ziemlich düster und passend! - und ich kann mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, wie ich mir den Marktplatz und die Häuser vorher vorgestellt habe.


District 12 (Bildquelle)
Bei der Verfilmung eines Buches ist es nun mal nicht möglich, jede einzelne Szene einfließen zu lassen und ich kann mich jetzt auf Anhieb nicht dran erinnern, eine Schlüsselszene vermisst zu haben. Im Gegensatz zu vielen anderen, die traurig sind, dass die Mockingjay Szene verändert wurde, finde ich es völlig in Ordnung, dass Katniss den Pin nicht von Madge bekommt (bei der ich mich im Buch ehrlich gesagt schon gewundert habe, dass ihre Rolle so komplett ins nichts verläuft). Einen Charakter vorzustellen, der keinerlei Relevanz mehr hat, hätte hier nur für Verwirrung gesorgt.

Die Szene die sich mir im Film am Deutlichsten eingeprägt hat, ist die, als Gale die schreiende Prim packt und wegträgt. Ich weiß nicht mehr ob mir das auch im Buch so aufgefallen ist, aber die Erkenntnis was jetzt wichtig ist von Gale, der dabei jede Regung unterdückt, haben mir Gänsehaut gemacht. Die Schauspieler sind großartig, jeder Gesichtsausdruck erzählt eine ganze Geschichte. Auch die Beziehung zwischen Katniss und ihrer Mutter ist meiner Meinung nach ohne viele Worte sehr gut dargestellt.


"I volunteer! I volunteer as tribute!" (Bildquelle)
Die zweite Szene die mir Gänsehaut gemacht hat, war die Einfahrt in die Arena. The girl on fire. Perfekt inszensiert! Von Katniss Flammenkleid im Interview war ich allerdings wenig beeindruckt. Von Lenny Kravitz als Cinna dagegen wieder sehr. Und Josh Hutcherson, den sich Bekanntwerden der Besetzung kaum jemand als Peeta vorstellen konnte, ist genauso perfekt in seiner Rolle wie Katniss. Schade fand ich, dass Peeta am Ende so farblos wird. In der Arena gibt es für ihn im Film eigentlich keine Möglichkeit mehr, seinen Charakter zu vertiefen, während im Buch sein Galgenhumor zum Markenzeichen wird. Deshalb fand ich leider auch die Szene in der Höhle ein bisschen halbherzig und hab den beiden nicht so richtig abgenommen, dass sie sich umeinander sorgen. Außerdem fand ich, dass die Szenen nicht so richtig zur Atmosphäre des Films passten. Aber das sind alles kleine Punkte, die weder die atemlose Spannung, noch die starken Bilder des Films beeinträchtigen. Es gab nur einen Punkt, den ich wirklich nicht gelungen fand: Katniss Gruß. Im Buch eine der beeindruckendsten Gänsehaut-Szenen, kommt sie im Film völlig ohne Erklärung und etwas plötzlich. Schade.

Ansonsten: Das Capitol hat mich umgehauen, so nah ist es meiner Vorstellung gekommen, mit allen wichtigen Rollen in traumhaft guter Besetzung. President Snow, Seneca Crane und vor allem Stanley Tucci als Ceasr Flickerman machen ihre Sache so gut, dass ich komplett vergessen habe,wie ich sie mir eigentlich vorgestellt habe. Und einige Szenen, die man im Buch natürlich aus Katniss Sicht nicht sehen kann, machen den Film zu einem Erlebnis an sich. Die letzte Szene in der Seneca Crane vorkommt zum Beispiel. Aber auch sonst alle Szenen der Spielemacher. Wie diese eigentlich ganz nett aussehenden Menschen in ihrem sterilen Hightech-Raum sitzen und voller Enthusiasmus Kinder in den Tod hetzen wurde mir erst im Film so richtig bewusst. Und nichts da von wegen "Wir hatten Angst, wir mussten uns dem Capitol beugen", sondern "Hahaa, mach schon mal die Kanone bereit." Was für die Spielemacher hinter ihren Bildschirmen aussehen muss, wie ein Videospiel, ist in der Arena für die Tribute der Tod. Aber es ist eben einfacher, aus sicherer Hightech-Entfernung Bomben zu werfen. Das kennen wir ja alle aus den politischen Geschehnissen unserer  Zeit, selbst wenn man sich lieber vormachen würde, die Hunger Games seien eine unvorstellbare Dystopie...


"Die hat´s mir da zu gemütlich, ich schmeiss´ mal einen Feuerball, ja?" (Bildquelle)
So. Wer das Buch jetzt aus irgendeinem mir unverständlichen Grund immer noch nicht lesen möchte, sollte sich wenigstens den Film angucken. Auch nicht? Dann hört euch zumindest den wunderschönen Soundtrack an. "Kingdom come" von The civil wars läuft bei mir seit heute Morgen auf Endlosschleife.

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