Dies ist mein zweiter Beitrag zu Neyashas Themen-Challenge zu "Liebe, Tod und Ehre" und zwar zum Thema "Pakt mit dem Bösen"."Good resolutions are useless attempts to interfere with scientific laws. Their origin is pure vanity. Their result is absolutely nil. They give us, now and then, some of those luxurious sterile emotions that have a certain charm for the weak.... They are simply cheques that men draw on a bank where they have no account."
Zur Story:
Zwei Männer lernen sich bei einem gemeinsamen Freund kennen. Dorian Gray ist ein charmanter, reicher, makellos schöner und etwas weltfremder junger Mann der Oberklasse Großbritanniens. Lord Henry dagegen ist ein zynischer Dandy, der mit beißender Intelligenz die Moralvorstellungen seiner Zeit in Frage stellt und schnell bemerkt, wie leicht er Dorian manipulieren kann. Während Dorian für ein Bild Model steht, freunden die beiden sich an. Auf einen Kommentar von Lord Henry hin wird Dorian sich über seine Schönheit bewusst und gleichzeitig über deren Vergänglichkeit. Er beginnt eifersüchtig auf sein Bild zu sein und schwört, seine Seele dafür zu geben, wenn nur das Bild an seiner Stelle altern könne. Dass dieser Wunsch erfüllt wurde, bemerkt Dorian zum ersten Mal nach der denkwürdigen Trennung von seiner ersten Liebe. Die Heirat mit der jungen Schauspielerin war eigentlich schon beschlossene Sache, doch als Dorian bemerkt, dass hinter den bewunderten verkörperten Rollen nur ein talentiertes junges Mädchen steckt, verlässt er sie. Am Abend bemerkt er zum ersten mal einen grausamen Zug um den Mund seines Portraits. Das Mädchen bringt sich noch am gleichen Abend um. Dorian bereut kurz, doch beginnt schon bald Lord Henrys Meinung zu teilen, dass der Selbstmord eigentlich etwas Gutes war, da er im Gegensatz zu trivialer Liebe die "schreckliche Schönheit einer griechischen Tragödie besitzt". Im Laufe der nächsten Jahre werden die beiden Freunde zum skandalträchtigen Mittelpunkt der Oberklasse und Dorian lebt seine Fantasien und Wünsche um jeden Preis aus, gleichgültig wen er dabei ruiniert, verletzt oder gar tötet. Niemand der ihn sieht, erkennt etwas schlechtes an Dorian, denn seine Grausamkeit und Verdorbenheit spiegelt sich nur in seinem Portrait wieder, dass er vor der Welt versteckt hält.
Meine Meinung:
Ziemlich viel Interpretationsmaterial für so ein schmales kleines Büchlein. Ehrlich gesagt hab ich keine Ahnung, wo ich anfangen soll. Ein kurzer Blick auf Wikipedia genügt um zu zeigen, dass es wahrscheinlich ungefähr ein halbes Schuljahr braucht um alle zentralen Motive dieses Romans zu besprechen: Narzismus, Hedonismus, Dandyismus, Orientalismus, Ästhetizismus, Moralismus, Symbolismus... eine ganze Menge -ismen, die mir trotz Deutsch- und Englisch-Leistungskurs gerade ein bisschen über den Kopf wachsen. Deshalb erst einmal ein Fakt zu Roman und Autor: Die Erstfassung ist 1890 erschienen und bekannterweise war das nicht gerade die einfachste Zeit um Gesellschaftskritik zu üben. Mit seitenweise Ausschweifungen ist es wohl keine große Überraschung, dass Dorian Gray im viktorianischen England als "anrüchig" galt. Der Roman spielte dann auch eine bedeutende Rolle in dem Prozess, bei dem der homosexuelle Oskar Wilde schließlich wegen "Unzucht" zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde (an dessen Folgen er wenig später starb).
Seltsamerweise hat der Roman bei Amazon fast 300 Seiten, auf meinem Kindle aber nur 200, die ich in einer Nacht durchgelesen habe. Die Geschichte geht nach einem behutsamen Anfang ziemlich rasant auf ein relativ plötzliches Ende zu. Zurück bleibt ein Gefühl der Taubheit; es gibt keine Helden. Weder Dorian Gray noch Lord Henry bieten eine Identifikationsbasis. Schon der junge Dorian Gray, obwohl allseits beliebt, ist kein bemerkenswerter Charakter und irgendwie auch nicht so richtig helle. Außerdem ist er, wie Lord Henry ja fix merkt, leicht beeinflussbar. Ein bisschen zu leicht für meinen Geschmack. Die Leichtigkeit mit der Dorian auf die dahingesagten Gedanken anspringt, kommt etwas zu naiv daher, selbst für einen abgeschirmten Jungen. Am Ende ist der erwachsene Dorian so verdorben, dass er alle in den Abgrund stürzt, die sich ihm nähern. Im Gegensatz dazu war ich mir bei Lord Henry lange nicht sicher ob er denn nun wirklich böse ist, oder die Auswirkungen seines Zynismus nicht richtig einschätzen kann. Am Ende ist der Charakter des Lord Henry aber das eigentlich bemerkenswerte an diesem Buch, denn er weiß genau was vorgeht und genießt die Dramatik die sich um Dorian herum verbreitet. Teilnahmslos verfolgt er dessen Schicksal und die seiner "Opfer", die nicht an die Schlechtigkeit Dorians glauben können, weil er doch so schön ist.
Zwei Sachen sind mir ein bisschen suspekt an der ganzen Geschichte:
Zwei Sachen sind mir ein bisschen suspekt an der ganzen Geschichte:
- Erstens kommt es mir komisch vor, dass ein Mann der zwischendurch immer mal wieder Spuren von Gewissen zeigt, sich doch fast durchgehend völlig gewissenlos verhalten kann. Kann man sein Gewissen einfach ständig überhören? Beziehungsweise, wenn das möglich ist: Warum sollte es sich dann überhaupt noch melden?
- Zweitens: Ein Junge/Mann der so charakterschwach ist, dass ein paar dahingesagte Sprüche eines Freundes sein ganzes Leben verändern und steuern, wird zum Mittelpunkt und Schicksal eines ganzen Gesellschaftskreises. Warum? Kann Schönheit wirklich so viel ausmachen, wenn ihr der Charakter fehlt?
Fazit:
Eine faszinierende Geschichte ohne Helden mit wertvollen gesellschaftskritischen Elementen, die zum Nachdenken anregen... Aber irgendwie hatte ich mehr erwartet.
Ps: Zum ersten mal hab ich hier kein Buchcover abgebildet, sondern ein Bild aus der Verfilmung. Die Buchcover sind einfach durchgehend völlig unpassend oder sehen aus wie aus einem Horrorfilm. Was auch immer Dorian Gray verbrochen hat: Er wird auf seinem Bild bestimmt nicht zum bluttriefenden Skelett.
* die Abbildung ist nicht mein Eigentum